Winter 89/90
Habilitation Herbert H. Egglmaier
Von Eberhard Mairbäurl
Naturgeschichte - Wissenschaft und Lehrfach

Im jüngsten Historicum (Marc Bloch) äußerte Fritz Fellner in einem Gespräch über die österreichischen Aktivitäten zur Geschichte der Geschichtswissenschaft folgende Sätze: »Der eine Weg ist die traditionelle und, wie ich es vereinfacht, aber nicht abschätzig!, nennen würde, antiquarische, nicht interpretative, sondern aufzählende Form der Geschichte der Geschichtswissenschaft. Diese Art der Geschichte der Geschichtswissenschaft hängt eng zusammen mit der Geschichte der Wissenschaften an sich, wie sie beispielsweise aus den Universitätsarchiven heraus betrieben werden. Was Höflechner in Graz, was Oberkofler in Innsbruck und andere seit Jahren überaus verdienstvoll machen, ist die Ausarbeitung von bedeutenden Materialsammlungen für die Geschichte der Geschichtswissenschaft. Hier ist nicht nur Nützliches, sondern für die Geschichte der Geschichtswissenschaften Bedeutsames geleistet worden.«

Aus dem Umkreis des genannten Höflechner kommt auch Herbert H. Egglmaier. Seine Habilitation trägt den Titel

Naturgeschichte – Wissenschaft und Lehrfach,

gehört also zur Kategorie der »Geschichte der Wissenschaften an sich«. Wieweit Fellners Erkenntnisse zur Historiographiegeschichte auf dieses Werk anzuwenden sind, ist unterschiedlich zu beurteilen: Daß es nützlich und bedeutsam wäre, würde ich nicht so ohne weiters behaupten. Eine Materialsammlung ist es allerdings schon.

Ganz sicher ist es jedenfalls eine »antiquarische, nicht interpretative, sondern aufzählende Form« von Wissenschaftsgeschichte.

Und das meine ich (zum Unterschied von Fritz Fellner) durchaus abschätzig.

Ich weiß, daß es einem Rezensenten nicht gut ansteht, wenn er einbekennt, daß er sich bei der Lektüre gelangweilt hat, und wenn er daraus auch noch ein Argument gegen das besprochene Buch macht. Wer hat ihn denn zur Rezension gezwungen? Hätte er das Werk halt nicht gelesen!

Stimmt. Hätte ich das Werk doch nicht gelesen!

Da ich es aber gelesen habe und mich tatsächlich dabei ganz schrecklich gelangweilt habe, will ich diese Qualen auch nicht verheimlichen. Dies aus zwei Erwägungen:

Zum ersten aus dem Wunsch heraus, nicht unfair zu sein. Es wäre ja möglich, daß einen Rezensenten ein Buch langweilt, weil er sich für das Thema nicht interessiert, und daß er den Autor mit irgendwelchen anderen gesuchten Argumenten dafür bestraft.

Dieser Umstand ist in meinem Fall aber nicht von Bedeutung: Ich interessiere mich sowohl für die österreichische Geschichte des 18. und 19. Jahrhunderts als auch für Wissenschaftsgeschichte im allgemeinen und die Naturwissenschaften samt ihrer Geschichte im besonderen, desgleichen für die Wissenschafts- und Bildungspolitik und ihre Geschichte.

Damit zum zweiten Punkt: Es ist möglich, daß die Langeweile durch eine ungenügende Erfassung und Bearbeitung eines an sich interessanten Gegenstandes verursacht ist – und darüber darf man getrost reden.

Dieser zweite Fall ist hier tatsächlich gegeben, und ich beschränke mich im weiteren auf eine Erläuterung und Illustration dieses traurigen Befundes.

Die Behauptung einer »ungenügenden Erfassung und Bearbeitung« setzt voraus, daß ein Konsens über die adäquate Erfassung und Bearbeitung existiert. Im Wissen, daß ein solcher Konsens recht schwer herstellbar ist, formuliere ich sehr allgemeine Anforderungen, für die vielleicht wegen ihrer Trivialität doch breitere Zustimmung erzielt werden könnte:

  • Ein historiographisches Werk soll von einer klaren Fragestellung ausgehen.
  • Der Autor soll begründete methodische Vorstellungen für die Behandlung der Fragestellung haben.
  • Die Bearbeitung der Fragestellung nach diesen eigenen methodischen Vorgaben soll mit der notwendigen Sorgfalt erfolgen.

Fragestellung

Für die Arbeit Herbert Egglmaiers existiert keine klare Fragestellung. Die schwammigen Bemerkungen in der Einleitung, die Ausgangspunkt für eine Formulierung von Fragen hätten sein können, werden nämlich keineswegs operationalisiert:

»In (der vorliegenden Arbeit) geht es um die Naturgeschichte als einen von der Zeit MARIA THERESIAs bis zu jener FRANZ JOSEPHs I. im Lehrbetrieb der habsburgischen Universitäten verankerten Fachbereich, der lange Zeit als allgemeine Naturgeschichte an der philosophischen Fakultät sowie als spezielle Naturgeschichte an der medizinischen Fakultät eine Vertretung findet.
Naturgeschichte. Wissenschaft und Lehrfach‹ als Grundthese der Untersuchung steht für die beiden Wertigkeiten der Naturgeschichte. Erstere – und damit das Wissenschaftsverständnis der Aufklärung – ist geradezu die Voraussetzung dafür, daß man sich um die Mitte des 18. Jahrhunderts und danach staatlicherseits an der Vermittlung naturgeschichtlicher Kenntnisse interessiert zeigt. Die Studienreformen MARIA THERESIAs – und die hiermit verbundene Aufnahme der Naturgeschichte in den Lehrbetrieb – bilden somit den Ausgangspunkt der Untersuchung. Ihren Endpunkt bildet die institutionelle und personelle Aufspaltung der Naturgeschichte in die naturhistorischen Disziplinen Mineralogie, Botanik und Zoologie bei deren gleichzeitiger ansatzweiser Binnendifferenzierung im Lehr- und Studienbetrieb in den Jahren nach 1848/49.
Im Mittelpunkt der Betrachtung steht der Wandel, dem die Naturgeschichte während dieses Zeitraums im Lehrbetrieb unterliegt oder aber auch nicht unterliegt. Vor dem Hintergrund der sozio-ökonomischen und sozio-kulturellen Verhältnisse im Habsburgerreich wie auch der hierdurch (mit)bestimmten Entwicklungen im Universitätswesen, dann der Bildungs- und der Wissenschaftspolitik, ebenso aber auch der oben skizzierten Wissenschaftsentwicklung als Rahmenbedingungen, soll aufgezeigt werden, wie es zur Einführung eines naturgeschichtlichen Unterrichts an den habsburgischen Universitäten kam und wie die weitere Entwicklung verlief; ferner, welche bildungspolitischen Zielsetzungen mit der Naturgeschichte verbunden waren und wie man sie durchzusetzen dachte«
(S. X–XI).

In den ersten beiden zitierten Absätzen stellt Egglmaier also fest, daß er sich für die Naturgeschichte als Wissenschaft und als Lehrfach in Österreich interessiert. Diese Information wird im dritten Absatz durch den Hinweis auf die Rahmenbedingungen, die in die Darstellung einbezogen werden sollen, rhetorisch ein wenig ausgeschmückt.

Von einer Konkretisierung kann dabei keine Rede sein. Was schreibt ein Zweitsemestriger in der Einleitung zur Proseminararbeit, wenn ihm nichts Besseres einfällt? »Ich bearbeite mein Thema vor dem Hintergrund der sozialen, kulturellen, politischen und ökonomischen Bedingungen, die …« Im sechsten Semester wird er dann schon schreiben: »sozio-ökonomisch« und »sozio-politisch«. Das erweckt den Eindruck, daß der Arbeit ein nahezu komplexes Modell zugrundeliegt, in dem die Einflüsse der erklärenden Parameter untereinander auch noch berücksichtigt werden.

Manche Leute bleiben auch nach dem Studium noch beidieser Formulierung. Nicht daß ich nichts von sozio-kulturellen Studien hielte. Nur können 0815-Begriffe dieser Art niemals eine reflektierte und genau ausformulierte Fragestellung ersetzen. Ein nur mäßig illustrativer Hintergrund dieser Art kann halt einem Autor hypothetische Überlegungen nicht ersparen, welche sozio-ökonomischen und welche sozio-kulturellen Verhältnisse im Habsburgerreich, welche Entwicklungen im Universitätswesen, in der Bildungs- und Wissenschaftspolitik, welche Momente in der Wissenschaftsentwicklung es im einzelnen waren – um bei Egglmaiers Aufzählung zu bleiben –, die zu den jeweiligen institutionellen Folgen geführt haben.

»Über die Darstellung der Entwicklung und der diese bestimmenden Faktoren hinaus, wird ein knapper Überblick über die institutionelle und personelle Vertretung der Naturgeschichte an den Universitäten und bedeutenderen Lyzeen des Habsburgerreiches geboten. Dieser Teil der Arbeit, der sich in vielem auf Quellen stützt, versteht sich als Beitrag zur Geschichte der einzelnen behandelten Lehranstalten. Er läßt zwar einige lokal bedingte Besonderheiten erkennen, er läßt aber auch jene prinzipielle, wenngleich in sich graduell differenzierte Gleichförmigkeit ersehen, die das habsburgische Studienwesen im ausgehenden 18. Jahrhundert und während der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts kennzeichnet. Darüber hinaus bietet er zudem die Möglichkeit, sich personalpolitische Prämissen – und damit einen wesentlichen Faktor der Bildungs- und Wissenschaftspolitik – zu vergegenwärtigen« (S. XI).

Neben der Naturgeschichte überhaupt geht es somit auch um das Personal. Zweifellos ein wichtiges Gebiet der Wissenschaftspolitik.

Wie geht Egglmaier das Problem an? Seiner Meinung nach gibt es in diesem Bereich sowohl Besonderheiten als auch eine Gleichförmigkeit – die Platitüde hätte ins Programm des oben genannten Zweitsemestrigen gepaßt, wäre sie nicht durch die Unsinnigkeit einer »differenzierten Gleichförmigkeit« ergänzt worden, die auch bei jungen Studenten ohne Vorbild ist.

Die Überlegungen zu den personalpolitischen Prämissen werden dann ebenfalls nicht weiter ausgeführt.
Denn mit dem letztzitierten Absatz sind die theoretischen Überlegungen zu Ende. Sie wurden hier vollständig wiedergegeben, und es wurden also keine verborgenen Schätze unterschlagen.
Zusammenfassend: Es gibt für die Arbeit kein Konzept, das allgemeine Fragestellungen mit konkreten hypothetischen Überlegungen verbindet und so eine planmäßige Untersuchung vorweg bestimmt. Tatsächlich wird nur ganz pauschal angegeben, welches Thema ungefähr und irgendwie bearbeitet werden soll.

Methode

Ich gebe zu, daß es schwierig ist, eine adäquate Methode für eine nicht existente Fragestellung zu entwickeln. Die einzige methodisch saubere Lösung, nämlich die Aufgabe des ganzen Unternehmens, ist Egglmaier auch nicht eingefallen.

Statt dessen umgeht er die Methodenfragen, indem er als symbolische Ersatzhandlung die verwendeten Quellen auflistet. Es wird die Verwendung dieser Quellen dabei nicht begründet, was allerdings, wiederum zugegeben, auch nicht möglich gewesen wäre – die einzige denkbare Begründung für die Verwendung einer Quelle liegt ja in ihrer Eignung für die Beantwortung einer Frage, die hier eben nicht gestellt wurde. Wenn Egglmaier von der Auswertung »einschlägiger Bestände im Allgemeinen Verwaltungsarchiv und im Haus-, Hof- und Staatsarchiv« (S. XIII) spricht, ändert das nichts daran, denn weder sagt er noch weiß er, wofür die Bestände einschlägig sein sollen, außer vielleicht für das Vorkommen des Wortes Naturgeschichte.

Die Vermutung, die sich mir bei Egglmaiers Aufzählung von Gesetzessammlungen, Schematismen, Vorlesungsverzeichnissen, diversen selbständigen Publikationen, Zeitschriftenartikeln, Programmschriften, Akten des Directoriums in publicis et cameralibus, der Hofkanzlei, der Studienhofkommission, des Ministeriums des öffentlichen Unterrichts, des Ministeriums für Cultus und Unterricht, des Staatsministeriums etc. etc. etc. aufgedrängt hat, kann ich nicht beweisen, aber ich äußere sie trotzdem: Im Anfang waren die Quellen; Quellen aber fordern zu zwanghafter Auswertung heraus. Und alles, was mit den Universitäten zu tun hat, kann eine Geschichte der jeweils vorhandenen Fächer ergeben. Das Ergebnis ist dann das, was Fritz Fellner eine »Materialsammlung« nennt.

Bearbeitung und Lektüre

Im Hauptteil des Werkes gibt Herbert Egglmaier den Inhalt dieser verwendeten Quellen wieder, und zwar auf den Seiten 3–241 vorwiegend in indirekter Form mit gelegentlichen wörtlichen Zitaten, auf den Seiten 246–267 (als »Anhang« betitelt) hingegen nur in wörtlicher Form, die Quellen in extenso zitiert. In beiden Fällen ist die Anordnung hauptsächlich chronologisch, mit Berücksichtigung folgender Themenkreise:

  • Vorgeschichte bis zu den 1750er Jahren;
  • Aufnahme der Naturgeschichte als Lehrgegenstand an der philosophischen Fakultät und Institutionalisierung als eigenständiges Lehrfach (1752–1774);
  • Zweiteilung in Allgemeine und Spezielle Naturgeschichte;
  • Studienpläne und Studienplandiskussion am Ende des 18. und Beginn des 19. Jahrhunderts;
  • Studienpläne bis zur Mitte des 19. Jahrhunderts;
  • Personal an den Universitäten und bedeutenderen Lyzeen;
  • Aufteilung der Naturgeschichte in die einzelnen naturwissenschaftlichen Disziplinen.

Ich nehme ungeprüft an, daß Egglmaier die Quellen, für deren Aufnahme in seine Sammlung er sich entschieden hat, richtig wiedergegeben hat, und vermute, daß er insofern sorgfältig vorgegangen sein wird. Zum Abschluß sei daher nur noch ein wenig zitiert, um auch den Leser an meinem Lesevergnügen teilhaben zu lassen.

Um nicht tendenziös zu erscheinen, habe ich die Stellen nicht gezielt nach ihrem Inhalt ausgewählt, sondern bin nur mit der Zirkelspitze in den Rand des Buches gefahren, um eine Zufallsauswahl zu garantieren.

Als erstes bin ich auf die letzte Seite des Kapitels »Die bildungspolitischen Auseinandersetzungen um die allgemeine Naturgeschichte« gestoßen (darin wird neben der Besprechung von Personalfragen die Diskussion zwischen Joseph II. und Gottfried van Swieten über die Anzahl und Differenzierung naturgeschichtlicher Lehrstühle wiedergekäut).

»Betreffs Lembergs war die Entscheidung bereits gefallen. Dort war im Zuge der Einrichtung der Universität im Frühjahr 1784 Anton HILTENBRAND (Fn.) zum ›Lehrer der Naturgeschichte, verbunden mit der physikalischen Erdbeschreibung, Feldwirthschaft und der Technologie‹ bestellt worden (Fn.). Infolgedessen standen im Herbst 1784 nur mehr die Lehrkanzeln an den Universitäten Prag, Freiburg und Pest zur Disposition.
An der Universität in Prag erhielt dieses Lehramt 1784 Joseph MAYER (Fn.), ein Protegee Franz Josef Grafen KINSKY, seines Zeichens Mitbegründer der Privatgesellschaft in Prag (Fn.). MAYER hatte 1782 auf Staatskosten eine Studienreise antreten können, die ihn nach Deutschland, Frankreich, Italien und in die Schweiz geführt hatte (Fn.), und hatte so wie einst BOHADSCH seine Ausbildung im Ausland vervollständigt. Nach seiner Rückkehr war er sodann im April 1784 als Adjunkt in das Prager Naturalienkabinett eingetreten, dem damals ZAUSCHNER vorstand und dessen oberster Direktor KINSKY war (Fn.).
Wie in Prag erfolgte 1784 auch in Pest die Einführung des Lehrfachs der allgemeinen Naturgeschichte in Form einer ordentlichen Professur. Verliehen wurde diese dem Exjesuiten Ludwig MITTERPACHER (Fn.), der an der Universität zuvor schon die Landwirtschaftslehre vertreten hatte (Fn.).
Zum Unterschied von Prag und Pest – und auch Lemberg – begnügte man sich in Freiburg mit der Einrichtung eines Extraordinariats, das zufolge einer Regierungsverfügung Josef Ignaz ALBRECHT erhielt (Fn.)« (S. 54).

An diesem Punkt beginnt ein neuer Abschnitt (»Der neue medizinische Studienplan 1786«).
Die zweite aufgefundene Stelle steht inmitten des Kapitels »Die Vertretung der allgemeinen Naturgeschichte: Das Fach an den Universitäten und bedeutenderen Lyzeen«, Unterabschnitt »Wien«.

»Von den acht Bewerbern um die Lehrkanzel, von denen sich sieben auch dem Konkurs stellten (Fn.), machte schließlich der von allen befaßten Stellen favorisierte ehemalige Adjunkt Johann Andreas SCHERERs (Fn.) an der Lehrkanzel der speziellen Naturgeschichte in Wien, Anton Georg BRAUNHOFER, der auch mit der Supplierung der Professur nach BLAHA betraut worden war, das Rennen.
Mit der Einführung des neuen philosophischen Studienplans 1824 wurde BRAUNHOFER eigentlich entbehrlich. Denn für die größeren Lyzeen und die Universitäten war ja vorgesehen, das Fach mit jenem der Landwirtschaftslehre oder – je nach lokalen und regionalen Bedürfnissen – mit einem anderen Fach zu verbinden. BRAUNHOFER wurde allerdings im Lehramt belassen. Die Studienhofkommission sah sich damals außerstande, ein Fach zu bestimmen, für das sich BRAUNHOFER bewerben sollte (Fn.). Als sich der Monarch 1834 in in (!) BRAUNHOFERs Angelegenheit an den Grafen MITTROWSKY mit dem Auftrag wandte, zu erklären, warum BRAUNHOFER bisher nicht anderweitig untergebracht worden sei und ›ob dessen baldige anderweite Verwendung nicht Statt finden könne, um eine Auslage, wenn sie nicht nothwendig seyn sollte, und vermieden werden kann, in Ersparung zu bringen‹ (Fn.), verneinte man dies seitens der Studienhofkommission (Fn.) und plädierte für den Weiterbestand einer eigenen allgemein-naturgeschichtlichen Lehrkanzel (Fn.). Und wenn sich FRANZ I. auch hierzu nicht verstand, so blieb es, indem er die Behandlung dieser Causa mit der Vorlage des neuen Studienplans verband, de facto bei dem Weiterbestand beider Lehrkanzeln (Fn.).
Auch infolge des schließlich im September 1837 vorgelegten Studienplanentwurfs änderte sich hieran nichts; und dies, obgleich der Antrag der Studienhofkommission, an der Wiener Universität die Lehrkanzeln der Landwirtschaft und der Naturgeschichte nicht zusammenzulegen, so wie sämtliche damals unterbreitete Vorschläge nicht genehmigt wurde (Fn.).
Daß im März 1838 keine Entscheidung betreffs der allgemein-naturgeschichtlichen Lehrkanzel an der Wiener Universität getroffen worden war, interpretierte man seitens der Studienhofkommission offensichtlich als stillschweigende Genehmigung. Denn als infolge BRAUNHOFERs Pensionierung die Möglichkeit bestand, die Lehrkanzel aufzulassen oder irgend einen anderen, dem Studienplan konformen Modus zu finden, machte man hiervon keinen Gebrauch; ja man berührte die heikle Lehrkanzelfrage nicht einmal (Fn.).
Während seines mehr als 25jährigen Wirkens an der Wiener Universität las BRAUNHOFER, dessen Ernennung zum Professor der allgemeinen Naturgeschichte und Technologie mit ah. Entschließung vom 22. Juni 1819 erfolgt war (Fn.), die allgemeine Naturgeschichte zuerst nach ERXLEBEN und von 1821/22 an dann nach eigenen Heften bzw. dem von ihm verfaßten ›Handbuch der allgemeinen Naturgeschichte‹. Auch für seine Vorlesungen aus Naturgeschichte in land- und forstwirtschaftlicher Ausrichtung bediente er sich eigener Ausarbeitungen (Fn.).
BRAUNHOFER vertrat die Naturgeschichte an der philosophischen Fakultät in Wien bis zu seiner Pensionierung im April 1845; und damit bis knapp vor seinem Tod (Fn.). In den letzten Jahren krank, konnte er seiner Lehrverpflichtung oftmals nicht nachkommen und mußte suppliert werden. 1841 und im Studienjahr 1843/44 sowie anfänglich auch im Studienjahr 1844/45 wurde dies von Julius K.J. HELM (Fn.) besorgt. Anschließend übernahm diese Aufgabe Maximilian J. PAULUS (Fn.)« (S. 132–133).

Ein echter Reißer. Doch zur dritten Stelle. Mein Zirkel entscheidet sich für S. 180–181. Auf S. 181 beginnt das Kapitel »Innsbruck«, der in den Abschnitt »Die Vertretung der speziellen Naturgeschichte an den habsburgischen Universitäten und an der Josephsakademie bis zu den Studienreformen um die Mitte des 19. Jahrhunderts« gehört. Der Beginn:

»In Innsbruck kam es erst infolge der Wiederherstellung der Universität, die Kaiser LEOPOLD II. Ende November 1791 für das Studienjahr 1792/93 bewilligte, zur Errichtung einer Lehrkanzel für spezielle Naturgeschichte. Und selbst damals stand dies nicht von vornherein fest. Denn obgleich man seitens der Landesstelle hierfür ebenso wie für dessen (!) Verleihung an den Innsbrucker Gubernialsekretär Johann Nepomuk von LAICHARDING (Fn.) eintrat (Fn.), gedachte man wienerseits ursprünglich damit das Auslangen zu finden, die Naturgeschichte zusammen mit der Botanik und Chemie von einer Lehrkraft vortragen zu lassen. Dies zeigt die ah. Entschließung vom 16. März 1792, die die erste detaillierte Fächeraufteilung enthielt (Fn.). Schließlich fand man sich aber dann doch bestimmt, für die Botanik und Chemie einerseits und für die spezielle Naturgeschichte anderseits eigene Lehrstühle einzurichten.
Während die Professur der Botanik und Chemie der Innsbrucker Hofapotheker Mathäus Michael SCHÖPFER (Fn.) erhielt, der sich zuvor um die projektierte und auch bereits genehmigte Lehrstelle aller drei Fächer beworben hatte (Fn.), wurde die Kanzel der speziellen Naturgeschichte LAICHARDING verliehen (Fn.), der vorerst – bis 1794 – neben seiner Professur auch seine Stelle bei der Landesstelle weiterhin versah (Fn.)« (S. 181–182).

Das sollte reichen. Eine derartige Konzentration von Belanglosigkeiten gewinnt schon wieder eine eigene ästhetische Qualität.

Statt einer Zusammenfassung

Ich zitiere noch einmal die letzte »historicum« Ausgabe (eine wahre Fundgrube!); dieses Mal aber nicht Fritz Fellner, sondern Marc Bloch persönlich.

»(M)an kann einem Anfänger keinen schlechteren Rat geben als den, geduldig und unvoreingenommen auf die Inspiration durch das Dokument zu warten. Auf diese Weise wurde schon so manche in bester Absicht begonnene Forschung zum Scheitern oder zur Bedeutungslosigkeit verurteilt.
Sie ist also unabdingbar, jene wohldurchdachte Auswahl an Fragen; sie sollte äußerst elastisch sein und die vielen neuen Fragen, die sich im Verlauf der Arbeit ergeben, aufnehmen können. Sie soll offen sein für alle Überraschungen, aber doch von Anfang an die einzelnen Details des Dokumentes wie ein Magnet an sich ziehen. Der Forscher weiß zwar schon zu Beginn, daß er den aufgestellten Plan nicht Punkt für Punkt einhalten wird. Aber ohne Plan läuft er Gefahr, ewig im Bereich des Zufälligen umherzuirren« (S. 20–21).

Wie wahr.


Herbert H. Egglmaier: Naturgeschichte – Wissenschaft und Lehrfach. Ein Beitrag zur Geschichte des naturhistorischen Unterrichts in Österreich. Graz (Akad. Druck- u. Verlagsanstalt) 1988. (= Publikationen aus dem Archiv der Universität Graz 22).

 

 

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letzte Änderung: 30.10.2015
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