»Es war ein sogenanntes ›Teilhaus‹; denn in diesem
Stadtviertel, nur hier, gab es noch die Besonderheit, die später
den Grundbüchern und Juristen einige Kopfschmerzen machte: Man konnte
auch einzelne Stockwerke erwerben, ohne den Boden selbst in Eigentum zu
bekommen. Man lebte also eigentlich im wahren Sinn der Worte in der Luft,
in einem Luftschloß« (58) – diese einprägsame
Kennzeichnung des Stockwerkseigentums stammt vom Juristen Max Brod, der
in seinem zuerst 1947 auf Hebräisch erschienenen Roman Ein Sommer,
den man zurückwünscht so die Verhältnisse in der Prager
Josefstadt beschreibt. Das ehemalige Ghetto wies so wie andere stark jüdisch
geprägte Wohngebiete tatsächlich einen besonders hohen Anteil
an Stockwerkseigentum auf. Allerdings wäre es ein Mißverständnis,
aus Brods »nur hier« zu schließen, daß dieses
Rechtsinstitut sonst unbekannt gewesen wäre.
Der Wiener Rechtshistoriker Gerald Kohl zitiert Brod in der Einleitung
zu seinem Buch
Stockwerkseigentum. Geschichte, Theorie und Praxis der materiellen
Gebäudeteilung unter besonderer Berücksichtigung von Rechtstatsachen
aus Österreich. Berlin (Duncker & Humblot) 2007 (= Schriften
zur Europäischen Rechts- und Verfassungsgeschichte 55), 575 S., euro
86,40
Der Band ist die Druckfassung der 2005 angenommenen Habilitationsschrift.
Das Stockwerkseigentum ist eine Einrichtung, die historisch nicht nur
interessant, sondern auch wirklich nahezu vergangen ist. Sie ist im Alltag
zwar nicht völlig unbekannt, aber doch von so geringer Bedeutung
geworden, daß sie in der Rechtswissenschaft den Charakter einer
Kuriosität hat, die in den Lehrbüchern nur als Nebenbemerkung
vorkommt. Nichtjuristen kommen damit ohnehin so gut wie nie in Berührung.
Der Grund für das nahezu völlige Verschwinden dieses Rechtsinstituts
liegt in Österreich in dem 1879 gesetzlich verankerten Verbot der
Neubegründung von Stockwerkseigentum und in der Umwandlung von Stockwerkseigentum
in Miteigentum und im besonderen, seit dessen Einführung, in Wohnungseigentum.
Der Weg zu diesem Verbot ist eines der Themen der vorliegenden Untersuchung.
Begriffliches
Der Unterschied zwischen Stockwerkseigentum und Miteigentum besteht im
Verhältnis mehrerer Eigentümer zu einer Sache. Praktisch geht
es um Häuser, die mehrere Eigentümer haben. Im wesentlichen
gibt es dabei zwei Möglichkeiten:
– Das Haus kann zwischen mehreren Eigentümern real aufgeteilt
sein. Das bedeutet, daß jeder Eigentümer das volle Eigentumsrecht
(samt allen daraus resultierenden Folgen) an dem ihm gehörigen Teil
des Hauses hat, an den Teilen der anderen Eigentümer ihm aber kein
Recht zukommt. Im Fall einer Liegenschaft hat ein Eigentümer also
etwa das volle Eigentumsrecht an einer Wohnung, aber kein Recht an den
anderen Wohnungen oder am Boden. Dies ist die Regelung des Stockwerkseigentums.
Der Begriff wird nicht nur für das Eigentum an ganzen Stockwerken,
sondern auch an sonstigen Teilen von Gebäuden wie Wohnungen verwendet.
(Regional wurden für das Stockwerkseigentum unterschiedliche Bezeichnungen
verwendet, und es gab auch verschiedene Varianten in der Ausgestaltung
im einzelnen, etwa in der Behandlung gewisser Gebäudeteile wie des
Dachs, die dann doch auch wieder als gemeinschaftliches Eigentum behandelt
wurden.)
– Die Alternative ist der Anteil eines jeden Eigentümers an
der ungeteilten Sache im jeweiligen Ausmaß. Jedem Eigentümer
gehört in diesem Fall eine Quote an der gesamten Sache, im Fall einer
Liegenschaft also eine Quote an allem, was die Liegenschaft ausmacht,
somit auch eine Quote an jeder Wohnung. (Dies ist auch die Regelung des
1948 in Österreich eingeführten Wohnungseigentumsgesetzes, das
allerdings jedem Eigentümer das dingliche Recht einräumt, eine
bestimmte selbständige Wohnung oder sonstige Räumlichkeit ausschließlich
zu benützen und darüber allein zu verfügen; diese Regelung
ist aber nicht mit einer realen Aufteilung zu verwechseln.)
Die Unterscheidung zwischen real geteiltem Eigentum und Miteigentum hat
sowohl juristisch-dogmatische als auch praktische Bedeutung, und beides
spielte in der Reform des Stockwerkseigentums im 19. Jahrhundert eine
Rolle.
Dogmatische Anliegen
Die dogmatischen Aspekte und ihre Bedeutung für die Gesetzgebung
kommen in Kohls Arbeit sehr gut heraus. Es wird gut erkennbar, wie die
juristische Dogmatik und Systematik, die aus verständlichen Gründen
eher nur Juristen und weniger der Allgemeinheit ein Anliegen ist, die
Gesetzgebung bestimmte. Besonders trat dabei Philipp Harras von Harrasowsky,
Referent im Justizministerium, hervor, der offenkundig vom Bedürfnis
getrieben war, eine systematische Inkonsistenz im Zivilrecht zu beseitigen.
Die Inkonsistenz lag nach dieser Sichtweise darin, daß einerseits
die reale Teilung einer Sache voraussetzt, daß die Sache ihrer Natur
nach überhaupt teilbar ist, und andererseits, so die Annahme, Gebäude
nicht geteilt werden können. Der Grund für letztere Auffassung
lag in einem engen Begriff von Teilbarkeit, demzufolge eine Sache dann
teilbar ist, wenn nach der Teilung zwei Sachen entstehen, die unabhängig
voneinander bestehen können. Der Urentwurf des Allgemeinen Bürgerlichen
Gesetzbuchs (ABGB) definierte teilbare Sachen gar als »Sachen,
die nach ihrer Trennung noch ihre vorige Wesenheit und Benennung beibehalten«
(75). Teilbar ist nach dieser Auffassung eine gewisse Menge Getreide,
aus der nach der Teilung zwei Mengen Getreide entstehen, nicht aber ein
Haus, da daraus nicht zwei Häuser entstehen. Der Codex Theresianus
sah die Unteilbarkeit allerdings noch differenzierter: Er unterschied
zwischen einer quasi echten Unteilbarkeit in dem Fall, daß eine
Sache durch reale Teilung zerstört würde (etwa ein Gemälde),
und einer anderen Art von Unteilbarkeit, bei der Teile einer Sache sehr
wohl voneinander gesondert werden können (eben als Wohnungen eines
Hauses), auch wenn sie in ihrer Gesamtheit ein davon verschiedenes Ganzes
bilden (ein Grundstück samt dem darauf stehenden Haus).
Das ABGB enthält keine ausdrückliche Regelung zum Stockwerkseigentum,
läßt es aber offensichtlich zu: »§. 361. Wenn
eine noch ungetheilte Sache mehrern Personen zugleich gehört; so
entsteht ein gemeinschaftliches Eigenthum. In Beziehung auf das Ganze
werden die Miteigenthümer für eine einzige Person angesehen;
in so weit ihnen aber gewisse, obgleich unabgesonderte Theile angewiesen
sind, hat jeder Miteigenthümer das vollständige Eigenthum des
ihm gehörigen Theiles.« Das heißt, daß ein
»unabgesonderter« (und umso mehr ein »abgesonderter«)
Teil einer Sache Gegenstand des vollständigen Eigentums eines Miteigentümers
sein kann, was ein Stockwerkseigentum möglich macht.
Harrasowskys Leistung bestand darin, diese und weitere Bestimmungen des
ABGB im gegenteiligen Sinn zu interpretieren, sodaß sie ein Stockwerkseigentum
ausschließen würden. Seine Begründung stellte das ABGB
als Ergebnis der Rezeption des römischen Rechts dar, das sich somit
im Einklang mit diesem befinden würde. (Wenngleich nicht sicher ist,
daß dem römischen Recht ein Stockwerkseigentum unbekannt war,
wurde in diesem Sinn doch der römischrechtliche Grundsatz verstanden,
daß ein Gebäude hinsichtlich des Eigentumsrechts dem Boden
folgt, auf dem es steht.) Diese vermeintlichen Grundsätze des ABGB
seien nicht allgemein »in die Lebensgewohnheiten eingedrungen«
(117), vielmehr würden im Fall der realen Gebäudeteilung deutschrechtliche
Grundsätze, sprich die reale Teilung, zur Anwendung gelangen. Damit
würde zwar »oft das praktische«, aber »nie
das logische Bedürfnis befriedigt« (117). Es ist nicht
übertrieben, in diesem Bedürfnis nach innerer Logik der Rechtsordnung
die Hauptmotivation für die Aktionen des Referenten und damit des
Justizministeriums insgesamt zu sehen.
Der Weg zum Verbot des Stockwerkseigentums ging über mehrere Etappen.
Wichtig waren lokale und regionale Sonderregelungen, die bereits vor dem
allgemeinen Verbot 1879 gebietsweise die Neubegründung von Stockwerkseigentum
verboten. Initiiert wurden diese Regelungen von den lokalen Behörden,
die freilich nicht vom ästhetischen Bedürfnis nach einem kristallklaren
römischrechtlichen Zivilrecht getrieben waren, sondern eher von dem
Wunsch, sich das Leben als Verwaltungsbeamte zu erleichtern (dazu unten).
Im Jahr 1876 organisierte schließlich das Justizministerium eine
Enquete zu dieser Frage, bei der die Gerichtshöfe (Kreis- und Landesgerichte)
und die Oberlandesgerichte Stellung nahmen. Gefragt wurde danach, ob das
ABGB das Stockwerkseigentum erlaube, ob es mit anderen Gesetzen vereinbar
sei, ob man in Zukunft die reale Teilung verbieten solle und so weiter.
Das Ergebnis ist interessant, nicht nur weil es möglicherweise nicht
ganz den Erwartungen der maßgebenden Beamten im Justizministerium
entsprach, sondern auch weil die zutage tretende Divergenz in den Rechtsmeinungen
von Gerichten weiter geht, als man es innerhalb einer Rechtsordnung erwarten
würde. Schließlich ging es nicht um die Entscheidung in einer
konkreten Rechtssache (die oft je nach Gericht unterschiedlich ausgehen
kann), sondern um die schlichte allgemeine Frage, was überhaupt im
wichtigsten zivilrechtlichen Gesetzeswerk des Landes steht. Die Gerichte
lasen das ABGB unterschiedlich: Knapp ein Drittel der 61 Gerichte, deren
Voten vorliegen, stellte ausdrücklich fest, daß eine reale
Gebäudeteilung nach der gegebenen Rechtslage unzulässig sei,
davon der größere Teil ohne konkrete Begründung; ob das
ABGB die reale Teilung verbiete, wurde von verschiedenen Gerichten in
gegensätzlichem Sinn beantwortet. Explizit wurde Harrasowskys Meinung,
das Stockwerkseigentum sei mit dem ABGB nicht vereinbar, nur von drei
Gerichten unterstützt (vom Großteil gab es allerdings gar kein
Votum). Der größere Teil der Gerichte legte sich nicht fest.
Bei den Vorschlägen für die zukünftige Gesetzgebung ist
das Bild klarer. Eine deutliche Mehrheit der Gerichte sprach sich für
ein Teilungsverbot aus, einige wenige stellten fest, daß das Teilungsverbot
ohnehin schon bestünde und daher keine gesetzliche Regelung notwendig
sei. Fünf Gerichte sprachen sich gegen ein Teilungsverbot aus.
In Anbetracht dieses Ergebnisses kann die Enttäuschung Harrasowskys,
die Kohl vermutet (114), nicht gar so groß gewesen sein. Sicherlich
kam für seine dogmatischen Ansichten wenig Unterstützung (aber
auch noch weniger Widerspruch) von den Gerichten; wichtiger wird wohl
doch die klare Unterstützung für das zukünftige Gesetzesvorhaben
gewesen sein.
Ideologie und Politik
In einem eigenen Abschnitt behandelt Kohl den Weg zum Wohnungseigentum
in der Zwischenkriegszeit, auf dem das Stockwerkseigentum immer wieder
zum Thema wurde. Zwar blieben dabei rechtsdogmatische Fragen selbstverständlich
als solche präsent, bemerkenswert ist aber, welche Bedeutung nun
ideologische Begründungen, aber auch eher pragmatische Lösungsansätze
für ein konkretes sachpolitisches Anliegen gewannen. Das Anliegen
als solches war klar, es ging um die Schaffung von Wohnraum, da das Bevölkerungswachstum,
wenn auch in vermindertem Tempo, weiterging und schon vor dem Ersten Weltkrieg
der Wohnbau mit dem Bevölkerungswachstum kaum hatte mithalten können.
Fraglich war, welche Eigentums- und Besitzverhältnisse man bei neuen
Wohnungen anstreben sollte. Klar ideologisch begründet war dabei
die Position einer Reihe deutscher völkischer und insbesondere nationalsozialistischer
Juristen, die mit einem Eigentum an der Wohnstätte positiv bewertete
Vorstellungen von Seßhaftigkeit – »verwachsen«
sein mit dem »Boden« (182) – verbanden. Das Ideal, das
eigene Haus, war freilich oft nicht realisierbar, ein Eigentum an einer
Wohnung, als Stockwerkseigentum konstituiert, erschien eine mögliche
Alternative. Der heute noch bekannteste Jurist, der sich in diesem Sinn
äußerte, war der Staatssekretär Roland Freisler. Die Gedankenwelt,
in der sich diese Autoren bewegten, läßt sich am besten mit
der sorgenvollen Überlegung von Justus Wilhelm Hedemann, Vorsitzender
des zuständigen Ausschusses in der Akademie für Deutsches Recht,
illustrieren, der 1934 die Frage stellte, ob ein Stockwerkseigentum mit
der eventuell leichten Verkäuflichkeit der Wohnungen und der entsprechend
hohen Mobilität der Eigentümer dem »sittlichen Ernst«
(182) des intendierten Bodeneigentums entsprechen würde. Es muß
allerdings betont werden, daß sich das Stockwerkseigentum auch im
Nationalsozialismus letztlich nicht durchsetzen konnte und in die Neukodifikation
des Zivilrechts, die für die Zeit nach Kriegsende vorgesehen war,
wahrscheinlich nicht aufgenommen worden wäre.
Eher praktisch orientiert, aber ebenfalls von einem politischen Anliegen
getragen, präsentierten sich verschiedene Überlegungen zum Thema,
die im Österreich der Zwischenkriegszeit angestellt wurden. Ein erstaunlich
radikaler Vorschlag stammte vom christlichsozialen Architekten und Stadtplaner
Heinrich Goldemund: Um das Angebot von Wohnungen zu erhöhen, schlug
er vor, daß Bund und Gemeinden Aufbauten auf bestehenden Häusern
allenfalls auch gegen den Willen der Eigentümer errichten sollten,
wobei für diese Aufbauten ein Separateigentum zu schaffen wäre.
Vorschläge des Wiener Rechtsanwalts Heinrich Kiwe 1925 und, zehn
Jahre später, des »Blauen Adlers«, eines vom Präsidenten
der Baugesellschaft Porr initiierten Verbands im Nahebereich der Vaterländischen
Front mit sozialer Stoßrichtung, gelangten wiederum in die Nähe
des späteren Wohnungseigentums: Sie sahen außer einem Sondereigentum
an Wohnungen auch ein ideelles Miteigentum an den sonstigen Gebäudebestandteilen
und am Grundstück und eine Eigentümergemeinschaft als handelnde
Person vor (das entspricht der Regelung des deutschen Wohnungseigentumsgesetzes
von 1951).
Die Wohnungseigentumsregelungen nach dem Zweiten Weltkrieg wurden dann
rasch beschlossen. Zwar wurde dabei in Deutschland mit der durch die Kriegszerstörungen
hervorgerufenen Wohnungsnot argumentiert, die neue Rechtsinstrumentarien
erforderlich mache, doch lag hier sicherlich nicht der wesentliche Grund
– das Wohnungseigentum wurde in Deutschland, Österreich und
der Schweiz ziemlich gleichzeitig eingeführt. Allerdings war es verschieden
gestaltet: In Österreich ist Wohnungseigentum, wie erwähnt,
Miteigentum an der gesamten Liegenschaft mit dinglichem Anspruch auf Nutzung
einer bestimmten Wohnung; in Deutschland ist es Alleineigentum an der
Wohnung, kombiniert mit Miteigentum an den gemeinschaftlichen Anlagen
und eventuell ebenfalls Sondernutzungsrechten an bestimmten Liegenschaftsteilen
(die Teilrechtsfähigkeit der Miteigentümergemeinschaft ist in
Deutschland mittlerweile explizit gesetzlich verankert); die schweizerische
Regelung ähnelt der deutschen. Die deutsche und schweizerische Regelung
ist also zwar näher am Stockwerkseigentum als die österreichische,
unterscheidet sich davon aber durch den zwingenden Miteigentum am Boden
und den allgemeinen Gebäudeteilen.
Praktische Aspekte des Stockwerkseigentums
Abgesehen von den dogmatischen Aspekten eröffnet das Stockwerkseigentum
eine Reihe von Fragen zu seiner sozialen und wirtschaftlichen Funktion
und zu den Implikationen, die sich für das Zusammenleben der involvierten
Eigentümer ergeben.
Die Frage läßt sich zum einen auf der Basis von Äußerungen
diskutieren, die von Zeitgenossen, namentlich Verwaltungsbeamten, politischen
Entscheidungsträgern und sonstigen Teilnehmern an der öffentlichen
Auseinandersetzung abgegeben wurden. Solche Äußerungen sind
jedenfalls für die Erklärung des Gesetzgebungsprozesses wichtig,
kommen aber auch als Quelle für die faktischen Verhältnisse
in Betracht, da viele der beteiligten Personen aus professioneller Beschäftigung
Kenntnis davon hatten. Allerdings zeigt sich im vorliegenden Band, in
dem viele dieser Beiträge zitiert werden, daß die Einschätzungen
total divergierten. So gestand etwa Harrasowsky zu, daß das Stockwerkseigentum
praktischen Bedürfnissen dienlich sei, andere Behörden waren
aber wieder gegenteiliger Auffassung. Dies lag wohl an der unterschiedlichen
Perspektive: Der Referent des Justizministeriums dachte wohl an die Befindlichkeit
der Eigentümer, die separates Eigentum schätzen mochten, weil
es sie in manchen Angelegenheiten der Notwendigkeit enthob, das Einvernehmen
mit Miteigentümern zu suchen. Die lokalen Behörden dachten eher
an die eigene Tätigkeit, bei der sie mit Grundeigentümern zu
tun hatten; wenn dabei bei einer Liegenschaft mehrere Eigentümer
auftraten, die unabhängig voneinander über Teile dieser Liegenschaft
verfügen konnten, wurde dies mühsamer. In diesem Fall geht es
vor allem um die Frage, wer in welchen die Liegenschaft betreffenden Angelegenheiten
nach außen handeln konnte.
Eine andere immer wieder aufgeworfene Frage war jene nach dem inneren
Frieden in einem Haus mit mehreren Eigentümern. Als Gemeinplatz findet
man bei Zeitgenossen die Auffassung, daß das Stockwerkseigentum
eine Quelle ständiger Streitigkeiten sei, eine Meinung, die jedoch
nicht unbestritten blieb. Auch in der parlamentarischen Auseinandersetzung
zum Gesetz von 1879 war es strittig, ob und welche Auswirkungen das Stockwerkseigentum
auf den Gebäudezustand, auf die Entstehung von Nachbarschaftskonflikten
und so weiter habe. In der Debatte verteidigte der Salzburger Abgeordnete
Georg Lienbacher das Stockwerkseigentum auch mit dem Argument, es verursache
keine ärgeren Streitigkeiten als andere Eigentumsformen auch (Lienbacher
war zu dieser Zeit Oberlandesgerichtsrat in Wien, dann auch Mitglied des
Reichsgerichts). Der Salzburger Abgeordnete Franz Keil, Rechtsanwalt,
behauptete das genaue Gegenteil: das Stockwerkseigentum provoziere Nachbarschaftsstreitigkeiten
der ungutesten Art, die zum geringeren Teil vor Gericht kämen und
jedenfalls oft eine dauernde Feindseligkeit hervorrufen würden. Im
Zug des Vorstoßes des »Blauen Adler« berief sich dessen
Präsident, Karl Drexel, 1937 auf Erfahrungen mit dem Stockwerkseigentum
im Ausland, die das Problem der Nachbarschaftsstreitigkeiten als nicht
gar so schwerwiegend erscheinen ließen (195). Der schweizerische
Nationalrat Armin Meili verwies so wie andere auf Streitigkeiten zwischen
Mietern und Vermietern und zwischen Mietern untereinander, die ebenso
häßlich ausfallen könnten wie Konflikte zwischen Stockwerkseigentümern
(208). Tatsächlich wird man wohl annehmen können, daß
das Stockwerkseigentum zusätzlich zu den Konflikten, die es heute
zwischen Wohnungseigentümern oder zwischen benachbarten Mietern gibt,
wohl noch spezifische weitere Möglichkeiten zu Streit eröffnete,
besonders wenn es an Liegenschaftsteilen, die für alle Bewohner relevant
waren (etwa dem Dach), Sondereigentumsrechte gab oder die Eigentumsrechte
(und damit Verantwortlichkeiten) unklar waren.
In der zweiten Hälfte des Bandes untersucht Kohl diese und andere
Fragen unter dem altertümlich anmutenden Titel »Das Stockwerkseigentum
im Rechtsleben« empirisch, und zwar in der Weise, daß er für
jeden Aspekt zuerst die »Theorie«, gemeint sind die in der
Literatur zu findenden Annahmen, darstellt und dann die »Rechtstatsachen«
referiert. Die unter Historikern eher unübliche Terminologie stammt
aus der Rechtswissenschaft. Unter Rechtstatsachen werden einfach Tatsachen
verstanden, die im Zusammenhang mit einem Rechtsinstitut oder einem rechtlichen
Vorgang relevant sind. Beispielsweise behandelt der Autor als ersten Punkt
die »Topographie« von Stockwerkseigentum, das ist hier die
Frage, ob das Stockwerkseigentum eher typisch städtisch oder typisch
ländlich war und ob es in Hanglagen häufiger vorkam (was Hausformen
mit getrennten Hauseingängen zu jedem Stockwerk möglich gemacht
hätte). Als »Rechtstatsache« ergibt sich, daß das
Stockwerkseigentum keine topographischen Besonderheiten aufweist.
Aus dieser Untersuchung der faktischen Verhältnisse ergibt sich vor
allem das Bild einer enormen Vielfalt, was die Größe der geteilten
Liegenschaften, die Anzahl der Anteile, die Größe der Anteile,
die Art der Teilung, die Nutzungsarten und die gemeinsamen Gebäudeteile
betrifft. Manche Ergebnisse kommen nicht unerwartet, etwa die geringere
Zahl von Anteilen im ländlichen Gebiet, verglichen mit städtischen
geteilten Immobilien. Enorme Unterschiede findet man bei der Aufteilung
der Objekte: Vergleichsweise selten wurden einfache horizontale oder vertikale
Teilungen vorgenommen, gelegentlich auch »diagonale« (das
waren Teilungen, bei denen gezielt jedem Eigentümer Stücke in
jedem Bereich der Liegenschaft zugesprochen wurden; damit teilte man auch
die für jeden Bereich geltenden Vor- und Nachteile auf und erzeugte
ein Verantwortungsgefühl eines jeden Beteiligten für die gesamte
Liegenschaft). Am weitaus häufigsten kamen aber ganz unterschiedlich
gestaltete Gemengelagen zustande, mit Anteilen, die sich überwiegend
auf mehr als eine Ebene (und nicht selten auf vier Ebenen oder mehr) erstreckten
und zu mehr als der Hälfte aus über zehn Raumeinheiten bestanden.
Diese Verhältnisse waren auch regional recht unterschiedlich.
Ganz unterschiedlich waren auch die Eigentumsverhältnisse an den
»sonstigen« Teilen eines Gebäudes mit Stockwerkseigentum
gestaltet. So stand das Grundstück keineswegs im Miteigentum aller
Stockwerkseigentümer, sondern konnte etwa nur einem von ihnen gehören
(mit Wegerechten für die anderen); dies ist teilweise grundbücherlich
nachweisbar, teilweise fehlen solche Hinweise aber. Auch das Dach konnte
im Sondereigentum stehen. Für die Mauern gibt es keine ersichtlichen
»Rechtstatsachen«, wohl aber verschiedene theoretische Überlegungen,
denen zufolge bestimmte Teile des Mauerwerks gemeinschaftlich, andere
im Sondereigentum befindlich gewesen wären. Gemeinschaftlich war
hingegen in der Regel die Gebäudeinfrastruktur (Wasserleitung, Entsorgungsleitungen).
Jedenfalls bedeutete das Stockwerkseigentum ein Problem für die Grundbuchsführung,
da man entscheiden mußte, in welcher Weise die separaten Teile einer
Gesamtliegenschaft verbüchert werden sollten. Auch diese Diskussion
war offensichtlich von der Dogmatik geprägt (separates Eigentum erfordere
separate Verbücherung), während praktisch eine gemeinsame Verbücherung
gar kein Problem gewesen wäre. Tatsächlich findet man eine Vielzahl
von Ansätzen zur Lösung dieser Frage.
Wie stand es um die Stockwerkseigentümer selbst, ihr Verhältnis
zum Objekt und ihr Verhältnis untereinander? Gegen die in der Literatur
zu findende Vermutung, daß Stockwerkseigentum eher eine Angelegenheit
der unteren Klassen gewesen sei, kann der Autor Einzelfälle anführen,
in denen ganz beträchtliche Werte solcher Anteile ersichtlich werden;
in anderen Fällen findet man wiederum lächerlich geringe Werte.
Freilich bleibt offen, inwieweit dieser Befund einer weiten Streuung verallgemeinert
werden kann. Das Geschlechterverhältnis unter den Eigentümern
wird durch die narrative Darstellungsweise nicht sonderlich klar (Anteile
konnten im Eigentum einer einzigen Person, von Ehepaaren oder sonstigen
Personenmehrheiten stehen, was am besten tabellarisch oder graphisch darzustellen
wäre).
Weitgehend offen bleibt die »rechtstatsächliche« Seite
der in der politischen Diskussion so präsenten Frage der Konfliktträchtigkeit
des Stockwerkseigentums. Hier beschränkt sich der Autor weitgehend
auf die Darstellung des rechtlichen Rahmens (Nachbarrechte und dergleichen)
und einige wenige anekdotische Informationen, wie Konflikte ausgetragen
wurden.
Methodisches
Der Grund für die Kürze dieses letztgenannten Teils liegt in
der methodischen Anlage der Studie. Kohl verwendet für die Untersuchung
der administrativen Abläufe und der Gesetzgebung Verwaltungsakten
verschiedener Herkunft, insbesondere solche des Justizministeriums. Diese
Akten wurden gründlich untersucht, und es werden dabei die Verläufe
der Entscheidungen in den Behörden gut verständlich.
Für den zweiten Teil, die Untersuchung der »Rechtstatsachen«,
hat der Autor die Grundbücher ausgewertet und eine Datenbank mit
den Informationen über die Liegenschaften und ihre Aufteilung (mit
einer Reihe von Variablen) sowie über die Eigentümer (ebenfalls
nach verschiedenen Kriterien) angelegt. Dabei wurden über achthundert
Objekte erfaßt. Die Erhebung bezieht sich auf ganz Österreich,
ausgenommen kurioserweise die Bezirksgerichte Landeck und Reutte, die
»aufgrund der dort besonders häufigen Verbücherungsmethode
nicht in die quantitative […] Untersuchung einbezogen«
wurden (45–46). Die Begründung ist unverständlich. Sinnvoll
wäre es gewesen, eine Zufallsstichprobe aus den in Landeck und Reutte
vorkommenden Fällen zu ziehen und die Auswertung entsprechend zu
gestalten. Dann spricht der Autor davon, daß es sich bei seiner
Erhebung »mangels Repräsentativität um keine verallgemeinerungsfähige
Stichprobe aus dem österreichischen Gesamtbestand« handle (46),
was hinsichtlich der beiden Tiroler Gerichtsbezirke richtig ist (aber
leicht hätte behoben werden können), im übrigen aber ebenfalls
nicht recht verständlich ist. Als Fußnote findet man die Bemerkung:
»Der Wert von Statistiken darf ohnehin nicht überschätzt
werden.« (46, Fn 148) Dem kann man zustimmen – überschätzen
sollte man überhaupt nichts –, für diese Untersuchung
kann man aber sagen, daß sie den Wert einer statistischen Erhebung
deutlich vor Augen führt. Wünschenswert wäre es gewesen,
die mit viel Aufwand erhobenen Daten einer komplexeren Auswertung zu unterziehen
und die Ergebnisse leichter überblickbar darzustellen. Kohl beschränkt
sich auf einfache Auszählungen, seine Bemerkungen über personenbezogene
Variationen in den Eigentumsverhältnissen und regionale Besonderheiten
würden aber etwas aufwendigere Auswertungsverfahren nahelegen. Die
Darbietung der Ergebnisse ist leider wirklich mangelhaft, weil es äußerst
mühsam ist, ohne Unterstützung durch tabellarische oder graphische
Zusammenfassungen längere Textpassagen zu rezipieren, in denen sich
eine Prozentangabe an die andere reiht. Solche Daten sollen doch Vergleiche
ermöglichen, die man dem Leser bei dieser Darbietungsform aber schwer
macht.
Für den zuletzt genannten Gegenstandsbereich, die Konflikte zwischen
den Eigentümern einer im Stockwerkseigentum stehenden Liegenschaft,
findet man in den Grundbüchern wenig. Kohl hat sich dazu unter anderem
mündlich informiert. Eine weitere Möglichkeit, an diese Frage
heranzugehen, wäre die Auswertung von Zivilprozeßakten gewesen;
allerdings ist zuzugestehen, daß dies nicht nur äußerst
aufwendig wäre, sondern auch einen wesentlichen Teil des Geschehens
weiterhin unbeachtet ließe, nämlich jene Streitigkeiten, die
nicht gerichtsanhängig wurden.
Zusammenfassung
Die vorliegende Studie bringt eine gründliche Untersuchung des Stockwerkseigentums
als eines heute in dieser Form bedeutungslos gewordenen Rechtsinstituts,
das aber durch seine Bezüge zu dem heute wichtigen Wohnungseigentum
sehr wohl Interesse verdient. Die Untersuchung der Gesetzgebung hinsichtlich
der Willensbildung in der Bürokratie, verschiedenen Interessengruppen
und den gesetzgebenden Körperschaften ist aufschlußreich und
überzeugend ausgefallen. Die Untersuchung der tatsächlichen
Verhältnisse ergibt das Bild einer enormen Vielfalt der Ausgestaltung
dieser Eigentumsordnung und ist mit beträchtlichem Aufwand durchgeführt
worden. Wenngleich in diesem Teil die Auswertung die Möglichkeiten
des erhobenen Datenbestands bei weitem nicht ausschöpft und die Darbietung
der Ergebnisse nicht sonderlich befriedigend ausgefallen ist, bleibt insgesamt
doch das Bild einer sehr gelungenen Studie zurück.