Herbst 2004
Habilitation Irene Bandhauer-Schöffmann
Von Michael Pammer
Katholische Kirche: Vermögensentzug und Restitution

Der hier zu besprechende Band von Irene Bandhauer-Schöffmann wurde primär als Forschungsarbeit für die Historikerkommission der Republik Österreich geschrieben und dann als Habilitationsschrift an der Universität Klagenfurt eingereicht. Der Autorin wurde dafür 2004 die Lehrbefugnis für Zeitgeschichte verliehen:

Irene Bandhauer-Schöffmann: Entzug und Restitution im Bereich der Katholischen Kirche. Wien, München (Oldenbourg) 2004 (= Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission. Vermögensentzug während der NS-Zeit sowie Rückstellungen und Entschädigungen seit 1945 in Österreich 22/1), 383 S., Euro 54,80.

Die Entstehung des Buchs im Zusammenhang mit der Arbeit der Historikerkommission erklärt manche Eigenarten des Bandes. Vor allem ist hier der Umstand zu nennen, daß es sich um einen Teil eines größeren Projektes handelt, in dessen Rahmen ein weiterer umfangreicher und zwei dünne Bände als Veröffentlichungen der Österreichischen Historikerkommission (22/2–4) erschienen sind. In diesen drei Bänden wird das Thema von Entzug und Restitution kirchlichen Vermögens in regionalen Studien abgehandelt: Die kurze Abhandlung von Stefan Spevak behandelt das Thema anhand der Diözese St. Pölten und verschiedener dort befindlicher kirchlicher Rechtsträger, die ebenfalls knappe Studie von Siegfried Kristöfl untersucht die Auflösung der katholischen Vereinigungen in der Diözese Linz, und der umfangreiche Band von Johann Großruck befaßt sich ebenfalls mit einem oberösterreichischen Thema, nämlich den dortigen Stiften und den dazugehörigen Stiftspfarren.1 Diese Studien sind ganz auf die jeweiligen regionalen Angelegenheiten konzentriert.

Die Untersuchung Bandhauer-Schöffmanns ist wesentlich heterogener ausgefallen. Etwa ein Drittel entfällt ebenfalls auf Regionalstudien, und zwar zu zwei kleinen Themen der Geschichte von Religionsfonds und Restitution, nämlich der Restitution des bischöflichen Mensalgutes »Garsten-Gleink« (Oberösterreich) und der Schweighofgründe bei St. Pölten (64–97), und, wesentlich umfangreicher, zu Vermögensentzug und Restitution in der Diözese Gurk (98–195). Der Teil über Gurk bietet eine detailreiche Darstellung der Abläufe auf lokaler und regionaler Ebene, aus der ein Gesamtbild schwer zu gewinnen ist und auf die hier nicht näher eingegangen werden soll. Der größere Teil des Bandes ist Fragen gewidmet, die die Katholische Kirche in Österreich als ganze betreffen, nämlich dem Schaden, den die Kirche insgesamt hatte, den Maßnahmen zu einer Regelung der wirtschaftlichen Verhältnisse zwischen Staat und Kirche nach 1945 und den politischen Vorgängen, die zu diesen Maßnahmen führten. Insofern trägt der Band seinen Titel durchaus zu Recht. Sinnvoller wäre es aber gewesen, die regionalen Studien aus dem Band herauszunehmen und zusammen mit den anderen Regionalstudien des Projekts zu publizieren.

Zum Verständnis der im folgenden diskutierten Probleme sind einige Bemerkungen zur wirtschaftlichen Situation der Katholischen Kirche in Österreich und zu ihrem Verhältnis zu Staat und anderen Körperschaften erforderlich. Bis zur Machtübernahme des Nationalsozialismus erhielten kirchliche Rechtsträger regelmäßige Zahlungen von der öffentlichen Hand aus folgenden Titeln (die Zahlengaben gelten für die Diözesen):

  • Kongruaergänzung: Für die Besoldung eines Teils des Klerus zahlten die unter Joseph II. errichteten Religionsfonds das »standesgemäße« Minimaleinkommen (portio congrua), soweit dieses Einkommen nicht durch andere Quellen gedeckt war. Seit 1885 betraf dies den gesamten Seelsorgeklerus.2 In der Zwischenkriegszeit wurden die Religionsfonds, die mit diesen Zahlungen überfordert gewesen wären, ihrerseits für diesen Zweck aus dem Bundesbudget dotiert. 1937 machten diese Dotationen etwa 16 Millionen Schilling aus, wohingegen die Erträgnisse der Religionsfonds nur 450000 Schilling betrugen3 (31, Anm. 21).
  • Patronatsleistungen: Die Patronate der Pfarrkirchen hatten den Zweck, durch Leistungen der Patrone zur Erhaltung der Kirche (vor allem die Erhaltung des Gebäudes, oft auch der Ausstattung) beizutragen; die Leistungspflicht der Patrone war in regional unterschiedlicher Weise beschränkt, beispielsweise mit einem Drittel des entstandenen Aufwands. Als Patrone fungierten Rechtsträger verschiedenster Art, darunter zahlreiche öffentliche Rechtsträger. Patrone durften aus naheliegenden Gründen nicht einseitig auf das Patronat verzichten. 1937/8 bestanden ungefähr 1200 Patronate, als jährliche Belastung der Patrone ist ein Durchschnittsbetrag in der Höhe von 10000 Schilling anzunehmen, zusammen mithin 12 Millionen Schilling (249).
  • Leistungen der Gemeinden: Eine weitere Leistung an die Katholische Kirche oblag den Gemeinden, die subsidiär zu den anderen Leistungspflichtigen (Einkommen des Gotteshauses, Eigenleistungen des Pfründners, Anteil des Patrons) die Erhaltungskosten zu tragen hatten.4 Durch die Beschränkung der Leistungspflicht der Patrone und die geringe Leistungsfähigkeit der anderen Verpflichteten waren die Leistungen der Gemeinden gewichtiger als die anderen genannten Leistungen und betrugen vor der Aufhebung je nach Schätzung 33 bis 50 Millionen Schilling pro Jahr (250, 253).
  • Giebigkeiten und Naturalleistungen: Als Überbleibsel des Zehent bestanden noch in den zwanziger Jahren Abgaben und Naturalverpflichtungen, von denen ein Teil seit 1929 in jährlichen Zahlungen vom Staat abgelöst wurde. Von dieser Ablöseverpflichtung waren 1938 noch 3,6 Millionen Schilling offen (34).

Mit dem Gesetz über die Erhebung von Kirchenbeiträgen im Lande Österreich von 19395 wurden die Verpflichtungen der unter staatlicher Verwaltung stehenden Fonds, der Gemeinden und der öffentlichen Patrone sowie die Ablöse der Giebigkeiten und Naturalleistungen aufgehoben. Die Finanzierung der Katholischen Kirche sollte von diesem Zeitpunkt an in erster Linie durch den Kirchenbeitrag der Katholiken erfolgen. Die Religionsfonds wurden in weiterer Folge ins Eigentum des Deutschen Reichs überführt und aufgelöst. Ihr Vermögen bestand überwiegend aus Immobilien und wurde nach Kriegsende von den Österreichischen Bundesforsten, den Finanzlandesdirektionen und der Bundesgebäudeverwaltung verwaltet.

Gesamtschaden

Die Schätzung des gesamten Schadens, den die Katholische Kirche durch Vermögensentzug erlitt, ist wegen der großen Zahl und der Verschiedenartigkeit von kirchlichen Rechtsträgern und wegen der unterschiedlichen Arten von Rechten, die betroffen waren, schwierig. Hinsichtlich der Rechtsträger ist vor allem zwischen Orden und Diözesen zu unterscheiden, die ihre Schäden separat erhoben, wodurch die Dokumentation ungleich ist. Wichtiger für die Gesamteinschätzung ist die Unterscheidung der betroffenen Rechte. Entzogen wurden der Katholischen Kirche sowohl Sachen als auch die genannten Rechte auf wiederkehrende Leistungen durch Staat und Gemeinden.

Die entzogenen Sachen wurden vielfach bald nach Kriegsende restituiert. Ihr Wert, insbesondere jener der entzogenen Immobilien, muß ein beträchtliches Ausmaß erreicht haben; einleitend erwähnt die Autorin 26 große Stifte samt ihrem land- und forstwirtschaftlichen Besitz und ihren gewerblichen Betrieben sowie 188 kleinere Klöster und Ordensniederlassungen (17). Eine Gesamtschätzung dieser Werte findet man in diesem Band nicht; auch in den anderen Projektteilen, insbesondere in jenem über die oberösterreichischen Stifte6, gibt es zwar viele Zahlen und Angaben über Einzelfälle, aber leider keine brauchbaren Gesamtzahlen, nicht einmal eine vage Angabe der Größenordnung, mit der man es zu tun hat.

Günstiger ist die Situation bei der Schätzung der entzogenen Rechte auf wiederkehrende Leistungen, also der Rechte auf Kongruaergänzung, Leistungen der Patronate und Gemeinden, Giebigkeiten und Naturalleistungen. Hinsichtlich dieser Rechte wurden in den fünfziger Jahren mehrfach Erhebungen gepflogen, die als Grundlage für die Verhandlungen zwischen Kirchenvertretern und Regierung und für die Verteilung der Bundesmittel dienen sollten, die das Bundesgesetz vom 17. Dezember 19587 der Katholischen Kirche zusprach. Die Ergebnisse dieser Erhebungen sind widersprüchlich und zum Teil inkonsistent, ermöglichen aber trotzdem eine Abschätzung der Größenordnung der Schäden. Folgende Schätzungen liegen vor:

  1. Eine Schätzung der Schäden der Diözesen aus dem Jahr 1955, die wiederkehrende Leistungen im Ausmaß eines Jahresbetrags in Höhe von knapp 57 Millionen Schilling (Wert von 1938) annimmt, wovon mehr als die Hälfte auf Leistungen der Gemeinden entfielen.8 Dazu wurden unsinnigerweise die 3,6 Millionen Schilling für die offene Ablöse von Giebigkeiten addiert, die aber keine jährlich wiederkehrenden Leistungen, sondern eine (auf mehrere Jahre verteilte) Einmalzahlung waren; sonstige Giebigkeiten wurden nicht aufgenommen (Tabelle 3, 250).
  2. Mehrere Schätzungen der Schäden der Diözesen aus dem Jahr 1958, die ebenso Einmalzahlung und wiederkehrende Leistungen vermischen und außerdem letztere teils mit dem Wert des Jahres 1938, teils mit der valorisierten Angabe von 1958 ansetzen und all dies addieren, was etwa 28 Millionen Schilling zum Wert von 1938 ergibt (Tabelle 4, 253). Unter Abgleichung von valorisierten und nicht valorisierten Beträgen, die die Autorin unterläßt, und ohne Giebigkeiten handelt es sich um jährliche Leistungen von ungefähr 78 Millionen Schilling (Wert von 1938).
  3. Eine Erhebung der Schäden von Diözesen und Orden aus dem Jahr 1959, die kirchliche Stellen pflogen, um eine Grundlage für die Verteilung der nunmehr zugesprochenen Mittel haben. Dabei wurde für die Diözesen der unter Punkt 2 genannte fehlerhafte Betrag von 28 Millionen Schilling eingesetzt. Für die Schäden der Orden aus wiederkehrenden Leistungen sind hier 10,6 Millionen Schilling (Wert von 1938) angesetzt (Tabelle 5, 258).

Warum die Kirchenvertreter in den fünfziger Jahren valorisierte und nicht valorisierte Angaben zusammenzählten und auf diese Weise zu Ergebnissen kamen, die auf jeden Fall unrichtig sind, braucht hier nicht geklärt zu werden. Als Kritik an der Arbeit ist aber festzuhalten, daß diese Inkonsistenzen nicht bereinigt wurden und die jährlichen Leistungen an die Diözesen 1938 ebenfalls mit 28 Millionen Schilling (das sind circa 212 Millionen Schilling 1959) angesetzt werden. Die Meinung der Autorin, »die Art der Berechnung […] wie auch ihr Ergebnis im Vergleich mit dem Kirchenbeitragsaufkommen lassen keinen Zweifel daran, dass mit einer Summe zwischen öS 202 bis 212 Mill. eine korrekte Schadensberechnung vorlag« (252), ist absurd. Umso unverständlicher ist sie, als Bandhauer-Schöffmann selbst an gleicher Stelle die Inkonsistenzen in der Valorisierung ausdrücklich hervorhebt. Daß die von den Diözesen genannte Summe in etwa dem Kirchenbeitragsaufkommen von 1957 entsprach, wie betont wird (252), ist unerheblich. Unverständlich ist auch der folgende Satz: »Da mit diesem Kirchenbeitragsaufkommen der Bedarf der Kirche gedeckt war und sich der Bedarf der Kirche nicht wesentlich gegenüber 1938 verändert hatte, war der Betrag von rund öS 200 Mill. für den Entzug kirchlicher Rechte im Bereich der Diözesen von Kirchenvertretern als angemessen und legitimiert betrachtet worden« (252). Der Schaden des Jahres 1939 ist eben mit dem Wert der jährlichen Leistungen des Jahres 1938 und nicht mit dem Wert der Kirchenbeiträge 1957 anzusetzen.

In der Folge zieht sich Bandhauer-Schöffmann auf die Auffassung zurück, die Angaben seien in ihrer »Glaubwürdigkeit und Genauigkeit nicht anzuzweifeln […], u. a. weil diese Schadenserhebungen 1959 in einem innerkirchlichen Kontext entstanden waren« (256), das heißt die Katholische Kirche hatte durch falsche Angaben nichts zu gewinnen. Es muß indessen ganz allgemein bedacht werden, daß die einzelnen Rechtsträger innerhalb der Kirche durch überhöhte Angaben sehr wohl etwas zu gewinnen hatten, und zwar auf Kosten anderer kirchlicher Rechtsträger (im vorliegenden Fall hätten die Diözesen allerdings verloren). Außerdem zeigt sich, daß bis zu einem gewissen Grad ohnehin Beliebigkeit herrschte, etwa in der Abgleichung der Ansprüche von Diözesen und Orden im Schulbereich (258–259, Anm. 643). Jedenfalls sind Glaubwürdigkeit und Genauigkeit dann anzuzweifeln, wenn die Angaben wie in diesem Fall inkonsistent sind.

Ob die einzelnen Posten der Höhe nach richtig angesetzt sind, muß eigens überprüft werden. Verläßlich wirken die Angaben der Kongruaergänzung, die einheitlich mit 15 bis 16 Millionen Schilling angesetzt sind; diese Angaben kommen aus den Zahlen des Bundesbudgets. Der heikle Punkt liegt in der Bestimmung der Aufwendungen für Baulichkeiten, die von Patronaten und Gemeinden getragen wurden und deren Gesamtwert nur grob geschätzt werden kann; die Unterschiede zwischen den Schätzungen 1 und 2 liegen in diesem Punkt, und fraglich ist, ob zumindest eine der beiden Schätzungen überhaupt in der richtigen Größenordnung liegt. Bauaufwendungen können, wie in neuerer Zeit ersichtlich, kurzfristig auch auf diözesaner Ebene stark schwanken; beispielsweise betrug der Bauaufwand in der Diözese Linz nach mündlicher Auskunft des dortigen Baureferats Ende der neunziger Jahre ungefähr 13,5 Millionen Schilling (zum Wert von 1938), im Jahr 2004 aber nach einem Einsparungsprogramm nur mehr 8 Millionen. In ganz Österreich hatten laut Auskunft des Baureferats der Erzdiözese Wien die Diözesen Mitte der neunziger Jahre einen Bauaufwand von etwa 40 Millionen Schilling zum Wert von 1938. In Anbetracht dieser Summen erscheinen Bauaufwendungen der Diözesen in ganz Österreich 1938 im Ausmaß von 42 bis 62 Millionen Schilling (Summe der Leistungen von Patronaten und Gemeinden), wie in den fünfziger Jahren geschätzt, vielleicht eher hoch, aber noch in der richtigen Größenordnung. Die Autorin diskutiert diese Fragen nicht.

Der korrekte Wert für die wiederkehrenden Leistungen liegt somit für die Diözesen irgendwo im Bereich zwischen 57 Millionen (wie unter Punkt 1) und 78 Millionen Schilling (wie unter Punkt 2) pro Jahr, wozu noch 10,6 Millionen Schilling für die Orden kommen. Diese Beträge, als solche nicht sonderlich eindrucksvoll, werden erst relevant, wenn man den Kapitalwert der jährlichen Zahlungen und die entfallenen Zahlungen der Jahre 1939 bis 1958 einsetzt. Die Kirchenvertreter setzten zwanzig Jahresbeträge an entfallenen Zahlungen an und kapitalisierten die jährlichen Zahlungen mit fünf Prozent, nahmen also nochmals den zwanzigfachen Jahresbetrag als Kapitalwert an.9 Diese Berechnung war grundsätzlich sinnvoll und folgte auch der Logik der Rückstellungsgesetzgebung, die ja auch beispielsweise die Restitution von Erträgen aus entzogenem Vermögen vorsah. Einschränkend muß allerdings gesagt werden, daß in den Kriegsjahren und danach auch ohne die Bestimmungen des Kirchenbeitragsgesetzes die öffentliche Dotation sicher geringer ausgefallen wäre, da zum Beispiel nur geringe Bauaufwendungen angefallen wären. Nach dem fehlerhaften Ansatz der Kirchenvertreter ergab diese Schätzung jedenfalls etwa 1,5 Milliarden Schilling, nach den korrigierten Werten sind es 2,7 bis 3,5 Milliarden Schilling (Wert von 1938) Schaden alleine aus dem Entzug der jährlichen Zahlungen einschließlich der bis 1959 aufgelaufenen Folgekosten; zum Zeitpunkt 1939 betrug der Schaden genau die Hälfte davon.

Bereits dieser Schaden, in dem die entzogenen Immobilien, Kunstgegenstände et cetera noch gar nicht enthalten sind, würde die Katholische Kirche zu einem der hinsichtlich des Vermögens am schwersten geschädigten Opfer des nationalsozialistischen Regimes machen. Dennoch muß hier eine gewichtige Einschränkung gemacht werden. Die Einstellung der staatlichen Dotation und der Leistungen von Gemeinden im Jahr 1939 stand in einem unmittelbaren Zusammenhang mit der Einhebung von Kirchenbeiträgen: Die Beiträge der Kirchenmitglieder sollten an die Stelle der Alimentation durch öffentliche Körperschaften treten, oder, anders ausgedrückt, statt sämtliche Steuerpflichtigen oder Gemeindeangehörigen heranzuziehen, sollten nur die Kirchenmitglieder bezahlen. Daß diese Regelung einer kirchenfeindlichen Motivation entsprang, ist bekannt, in diesem Zusammenhang aber irrelevant. Wesentlich ist, daß die Katholische Kirche auf der Grundlage des Kirchenbeitragsgesetzes Zahlungen durch die Kirchenmitglieder erhielt, die sie nicht bekommen hätte, wenn die öffentlichen Leistungen aufrecht geblieben wären. Man muß also die durch den Kirchenbeitrag erhaltenen Zahlungen von der angegebenen Schadenssumme in Abzug bringen, was aber in der vorliegenden Arbeit ebenfalls nicht geschieht, wenngleich die Problematik des Abtauschs von öffentlicher Dotation und Kirchenbeitrag an sich sehr wohl thematisiert wird. 1957 betrugen die Kirchenbeiträge etwa 26 Millionen Schilling, 1958 etwa 30 Millionen Schilling (jeweils zum Wert von 1938) (307), also je nach Schätzung ein Drittel bis die Hälfte der seinerzeit empfangenen öffentlichen Leistungen; die, von 1959 aus gesehen, zukünftig zu erwartenden Kirchenbeiträge müßten in gleicher Weise dem Kapitalwert der öffentlichen Dotationen gegenübergestellt werden. In den ersten Jahren nach 1945 waren die Kirchenbeiträge sicher viel geringer, allerdings wäre in dieser Zeit auch die öffentliche Dotation geringer gewesen. Warum die öffentlichen Leistungen, die sich ja im wesentlichen nach klar definierten Personalaufwendungen und nach nicht beliebig zu erhöhenden Sachaufwendungen richteten, um soviel höher waren als die Kirchenbeiträge, ist unklar.

Insgesamt läßt sich also resümieren, daß die Katholische Kirche durch die Neuregelung des Kirchenbeitragsgesetzes aus Sicht des Jahrs 1939 netto mehr als die Hälfte ihrer jährlichen Dotation verloren hat, nach der ungünstigeren Schätzung sogar zwei Drittel. Diese Situation blieb bis 1957 bestehen.

Religionsfonds

Getrennt von der zuletzt angesprochenen Frage der Kirchenbeiträge muß die Geschichte der Religionsfonds und ihrer Restitution diskutiert werden. Wie bereits erwähnt, reichte das Vermögen der Religionsfonds, die die Kongruaergänzung zu tragen hatten, für diesen Zweck bei weitem nicht aus. Von den genannten 2,7 bis 3,5 Milliarden Schilling des Jahres 1938, die 1959 als Schaden zu verzeichnen waren (Kirchenbeiträge nicht eingerechnet), entfielen nur 18 Millionen auf Leistungen aus den Religionsfonds. Wenngleich die Fonds im Zusammenhang mit der Einführung des Kirchenbeitrags verstaatlicht wurden, waren sie in Wirklichkeit eine dabei eher zu vernachlässigende Größe.
Dennoch wurde nach 1945 über die Religionsfonds lange verhandelt. Zur Debatte standen die Fragen, ob es sich bei der Verstaatlichung und Auflösung der Fonds um eine Entziehung im Sinn der Rückstellungsgesetzgebung, also eine Entziehung im Zusammenhang mit der Machtübernahme des Nationalsozialismus, handelte, ob die Fonds kirchlich oder staatlich waren und wie man – dies aus der Sicht der Kirche – die Fondsgüter zurückerhalten könne, ohne die Substanz des Kirchenbeitragsgesetzes zu verlieren (die Katholische Kirche hatte ein starkes Interesse an einer Beibehaltung des Kirchenbeitrags). Vertreter der Katholischen Kirche behaupteten ein Eigentumsrecht der Kirche an den Fondsgütern, sozialistische Politiker betrachteten die Güter als staatliches Vermögen; beides war irrig – die Fondsgüter gehörten eben den Fonds und sonst niemandem. Zur kirchlichen oder staatlichen Zugehörigkeit der Fonds gab es auch eine Reihe von rechtlichen Regelungen, die das Recht auf Verwaltung durch den Staat vorsahen, aber nicht mehr, so etwa in der Formulierung, daß »der Fiskus den Fond der aufgehobenen Klöster, Stiftungen, und Bruderschaften zu vertreten hat«10, oder in der Regelung des Konkordats von 1934: »Den Religionsfonds kommt kirchlicher Charakter zu; sie sind juristische Personen und werden bis auf weiteres wie bisher im Namen der Kirche vom Bund verwaltet.«11

Bandhauer-Schöffmann stellt die Diskussion um die Religionsfonds recht ausführlich dar. Die Einschränkung der Handlungsmöglichkeiten auf allen Seiten kommt dabei gut heraus: ob die Verstaatlichung der Fonds eine Entziehung im Sinn der Rückstellungsgesetzgebung war, blieb die längste Zeit ungeklärt; eine schlichte Reaktivierung der Religionsfonds durch Aufhebung der betreffenden Bestimmung des Kirchenbeitragsgesetzes war nicht tunlich, da die Fondsgüter Deutsches Eigentum waren; niemand hatte eine Aktivlegitimation als Rückstellungswerber; manche Fondgüter waren weiterveräußert worden und hatten neue Eigentümer, die man gerne geschont hätte; mit dem Staatsvertrag, der in Artikel 26 § 1 die Rückgabe von Vermögen vorsah, das wegen der Religion des Eigentümers konfisziert worden war, entstand ein Termindruck, da nun zu fürchten war, daß die Fondsgüter als nicht beanspruchtes Vermögen den neu zu schaffenden Restitutionsfonds zufallen würden. In § 3 des Gesetzes vom 20. Dezember 195512 wurde schließlich explizit festgestellt, daß die durch die Auflösung der Religionsfonds eingetretenen Vermögensübertragungen eine Vermögensentziehung im Sinn des Artikels 26 § 1 des Staatsvertrags begründeten. Mit demselben Gesetz wurde die Religionsfonds-Treuhandstelle errichtet, in deren Eigentum das Vermögen überging, das 1938 im Eigentum eines Religionsfonds gestanden war. Die Treuhandstelle war berechtigt, aber nicht verpflichtet, Güter zu beanspruchen, die nicht schon von Bund oder Bundesländern verwaltet wurden; im allgemeinen wurden hier Vergleiche abgeschlossen, die für die Erwerber der Religionsfonds-Güter günstig ausfielen. Im Detail zeigt die Autorin diese Vorgänge anhand der erwähnten regionalen Beispiele Garsten-Gleink und St. Pölten. Hier werden die lokalpolitischen Rücksichtnahmen, die Schwierigkeit der Bewertung von nicht in natura restituierten Liegenschaften und ähnliche Dinge gut erkennbar.

Im Vertrag zwischen dem Heiligen Stuhl und der Republik Österreich zur Regelung von vermögensrechtlichen Beziehungen vom 23. Juni 196013 wurde das Religionsfonds-Vermögen zwischen der Katholischen Kirche und der Republik aufgeteilt. Die Kirche erhielt insbesondere Kirchen, Pfarrhöfe und Klostergebäude zurück, dazu 5600 Hektar Forstfläche, das war etwa ein Zehntel der Flächen, die die Religionsfonds besessen hatten. Die Kirche ging in diesem Punkt in Summe somit leer aus, weil die Gebäude hauptsächlich Kosten verursachten und die zugesprochenen Flächen für die Abdeckung dieser Kosten gedacht waren (aber nicht ausreichten). Die Regelung ist im Zusammenhang des gesamten Vermögensvertrags zu sehen.

Vermögensvertrag 1960

Der Vermögensvertrag regelte, von kleineren Angelegenheiten wie den Religionsfonds abgesehen, vor allem die jährlichen Zahlungen der Republik an die Katholische Kirche. Diese Zahlungen erfolgten laut Artikel II (1) »im Hinblick auf den Wegfall der Dotierung des Klerus aus der ehemaligen Kongrua-Gesetzgebung, im Hinblick auf den Wegfall der öffentlichen Patronate und Kirchenbaulasten« und »zur Abgeltung der Ansprüche, die von der Katholischen Kirche auf das Religionsfondsvermögen erhoben werden«. Sie umfaßten, beginnend 1961, jährlich einen Betrag von 50 Millionen Schilling und »den Gegenwert der jeweiligen Bezüge von 1250 Kirchenbediensteten unter Zugrundelegung eines Durchschnittsbezuges; als solcher wird der jeweilige Gehalt eines Bundesbeamten der Verwendungsgruppe A, Dienstklasse IV, 4. Gehaltsstufe, zuzüglich Sonderzahlungen und Teuerungszuschlägen angenommen«. Ursprünglich war daran gedacht gewesen, einfach einen Betrag in der Größenordnung von 100 Millionen Schilling jährlich zu zahlen, wovon ein Teil wertgesichert sein sollte (in diesem Sinn waren bereits für 1958 und 1959 Vorschüsse in gleicher Höhe beschlossen worden, die letztlich nicht zurückzuzahlen waren14). Die dann getroffene Regelung war für die Kirche weitaus günstiger: Der Barbetrag von 50 Millionen Schilling wurde in den folgenden Jahrzehnten in längeren Abständen annähernd, wenn auch nicht vollständig, an die Geldwertentwicklung angepaßt, sank allerdings im Realwert zwischendurch um bis zu dreißig Prozent ab. Der Betrag im Gegenwert des Aufwands für 1250 Bundesbedienstete stieg hingegen jährlich an, und dies aufgrund der Entwicklung der Beamtengehälter in stärkerem Maß, als es bei einer bloßen Inflationsanpassung der Fall gewesen wäre.

Die 100 Millionen Schilling 1961entsprachen etwa 12,4 Millionen Schilling des Jahres 1938. Der Betrag war somit nicht allzu weit entfernt von den 15 bis 16 Millionen, die der Bund zu jener Zeit für die Kongruaergänzung ausgegeben hatte. Letztlich übernahm der Bund also wieder Verpflichtungen annähernd in alter Höhe, wirklich entlastet wurden die öffentlichen Patronate und Gemeinden. Die Summe aus Bundesleistung und Kirchenbeitrag ab 1961 entsprach insgesamt je nach Schätzung des seinerzeitigen Bauaufwands der Hälfte bis knapp zwei Drittel der öffentlichen Dotationen vor dem Kirchenbeitragsgesetz. Nach dem Vermögensvertrag 1960 blieben der Katholischen Kirche somit folgende Verluste:

  • aus der verlorenen Dotation abzüglich Kirchenbeitrag zwischen 1939 und 1957 je nach Schätzung 750 Millionen bis 1,2 Milliarden Schilling des Jahres 1938,
  • aus dem kapitalisierten Wert der verlorenen Dotation (abzüglich Kirchenbeitrag und Subsidien des Bundes ab 1961) je nach Schätzung 500 bis 920 Millionen Schilling des Jahres 1938,
  • zusammen somit je nach Schätzung 1,25 bis 2 Milliarden Schilling des Jahres 1938.

Wenn man annimmt, daß die entzogenen Sachen, insbesondere Immobilien, im großen und ganzen zurückgestellt wurden15 , ist damit auch etwa eine Bilanz von Entzug und Restitution im Bereich der Katholischen Kirche für den Zeitpunkt 1960 gegeben. Im vorliegenden Buch sucht man eine solche Bilanz allerdings vergeblich.

Bandhauer-Schöffmann stellt den Weg zum Vermögensvertrag eingehend dar. Es kommen dabei die Positionen aller Seiten – Volkspartei, Sozialistische Partei, Bischöfe, Vatikan – gut und differenziert heraus. Die Volkspartei hatte neben ihrer traditionellen Loyalität zur Katholischen Kirche auch die Interessen bäuerlicher Erwerber von Religionsfonds-Gütern zu berücksichtigen und hatte auch nicht den Wunsch, die Kirche aus dem Bundesbudget voll zu entschädigen. Die Sozialistische Partei, die regional und auf unterer Ebene auch nach 1945 noch durchaus feindselige Verhaltensweisen gegenüber der Katholischen Kirche an den Tag legte, entwickelte in den fünfziger Jahren den Wunsch nach einer Entspannung des Verhältnisses und wirkte maßgeblich an der Regelung der Vermögensfragen mit. Der Vatikan beharrte auf einer Aufrechterhaltung des Konkordats insbesondere in den Ehebestimmungen und war hinsichtlich der Vermögensfragen kompromißbereit. Die Bischöfe waren hinsichtlich der Ehebestimmungen realitätsnäher und pragmatischer. Generell hatte die Kirche mit dem Problem zu kämpfen, daß sie bei einer allzu harten Durchsetzung ihrer Vermögensansprüche mit einem ungünstigen Bild in der Öffentlichkeit zu rechnen hatte, etwa wenn es um die Rückgabe von nunmehr in bäuerlichem Besitz befindlichen Religionsfonds-Liegenschaften ging. Ein zentraler Punkt für die Kirche war die Beibehaltung des Kirchenbeitrags, der wichtiger war als die Ausgleichszahlungen durch den Bund. Bei der Verhandlung des Vermögensvertrags entstand die Befürchtung, daß jährliche Subsidien durch den Staat die Bereitschaft der Katholiken, Kirchenbeiträge zu bezahlen, vermindern würde; die Begeisterung des Episkopats über die jährlichen Zahlungen des Bundes war daher zunächst gar nicht so groß.

Alles in allem ist die Darstellung des Verhandlungsprozesses der am besten gelungene Teil der Arbeit.

Gesamteinordnung

Einleitend ordnet die Autorin die Restitution an die Katholische Kirche in den Kontext des gesamten Restitutionsgeschehens ein. Dabei überlegt sie, warum die Frage der Entschädigung der Katholischen Kirche eine so geringe Rolle im Geschichtsbild spielt, und kommt zum Schluß, daß man das Thema aus dem Kontext des Ersatzes von Schäden heraushalten wollte, die der Nationalsozialismus verursacht hatte: »Beiden Koalitionsparteien erschien es unbedingt nötig, die Entschädigungszahlungen an die katholische Kirche so zu deklarieren, dass hier kein Präjudiz für Ansprüche jüdischer Geschädigter entstehen konnte« (22). Diese Behauptung wird in der Folge in keiner Weise bewiesen, und sie ist auch nicht überzeugend. Erstens ging es im Fall der Katholischen Kirche überwiegend um ganz andere Probleme als im Fall der jüdischen Opfer: Jüdischen Opfern wurden zum überwiegenden Teil Sachen entzogen und nur zum kleineren Teil Ansprüche wie Pensionszahlungen und dergleichen, und die Profiteure waren zu einem großen Teil Privatpersonen; im Fall der Katholischen Kirche profitierten überwiegend öffentliche und halböffentliche Institutionen, und ein großer Teil des Problems war der Entzug staatlicher Subsidien. Zweitens war es spätestens mit dem Beschluß der Rückstellungsgesetze prinzipiell klar, daß die jüdischen Opfer entschädigt werden sollten, und zwar in erster Linie durch Rückgabe ihrer Vermögen; die Durchsetzung dieser Ansprüche war in gewissen Bereichen erfolgreich, in anderen schwierig, die Ansprüche als solche waren aber anerkannt, jedenfalls für den überwiegenden Teil der Vermögensschäden, die Juden erlitten hatten.

Einige Einschätzungen, die Bandhauer-Schöffmann in diesem Zusammenhang anbringt, sind überhaupt nicht nachvollziehbar, etwa wenn sie von der »Regelung der Wiedergutmachung [Fn.] für die katholische Kirche« schreibt, »die sich von den Verzögerungen und Verhinderungen abhob, die die politische Umsetzung von Wiedergutmachung in Österreich generell kennzeichneten« (22). Zügig abgewickelt wurde aber nur die Rückgabe der kirchlichen Immobilien, über die nach 1945 die öffentliche Hand verfügte; dies war aber auch bei anderen Geschädigten der Fall, so wie die Rückgabe von Immobilien überhaupt ein Bereich ist, in dem die Restitution relativ gut funktionierte (also auch wenn sich Private bereichert hatten), was mit der in diesem Bereich einfacheren Beweislage zusammenhängt. Ansonsten dauerte die Regelung gegenüber der Kirche eben bis 1960, nicht eben eine kurze Zeit, wenn man bedenkt, daß es dazu nur eines Gesetzesbeschlusses bedurfte und nicht erst langwierige Gerichtsverfahren zu absolvieren waren.

Die im folgenden zitierte Gegenüberstellung der Schäden, die die Kirche hinzunehmen hatte, mit den Schäden, die Juden erlitten, ist unter anderem schon deshalb nicht nachvollziehbar, weil Bandhauer-Schöffmann überhaupt keinen Gesamtschaden der Katholischen Kirche angibt: »Im Kern der Überlegungen, warum Wiedergutmachung im Bereich der katholischen Kirche nicht thematisiert wurde, muss aber wohl die Konnotierung von Wiedergutmachung mit jüdischen Ansprüchen stehen, die einerseits natürlich ein Resultat dessen war, dass Juden am meisten Schaden erlitten hatten, anderseits aber die antisemitische Identifikation des Geldes mit den Juden beinhaltet. [Fn.] Aus letzterem erklärt sich auch der Wunsch der katholischen Kirche und der österreichischen Politiker, Distanz zu jüdischen Restitutionsforderungen zu schaffen. Dass die erfolgreiche Versöhnung der beiden Bürgerkriegsparteien in gewisser Weise zu Lasten der jüdischen Restitutionsansprüche ablief, die 1960, als es zu einer Generalbereinigung mit der katholischen Kirche kam, bei weitem nicht so großzügig abgefunden worden waren, lässt an René Girards These denken, dass ein Abbau von Gewaltpotential und eine erfolgreiche Versöhnung immer nur auf Kosten eines Dritten möglich sind. [Fn.] In diesem Sinn wären Antisemitismus und Schuldabwehr wesentliche Komponenten des innenpolitischen Ausgleichs und Gründungskonsenses der Zweiten Republik« (23–24). Daß »Wiedergutmachung« mit jüdischen Ansprüchen konnotiert wurde, liegt nicht an einer »Identifikation des Geldes mit den Juden«, sondern daran, daß Juden als Opfer von Massenmord und Vertreibung und damit als Hauptopfer des Nationalsozialismus im Bewußtsein sind. Überdies profitierte vom Entzug jüdischer Vermögen ein großer Kreis von Privatpersonen, sodaß im Fall der Juden Vermögensentzug und Restitution nicht bloß im Verhältnis zwischen Staat und Opfern des Nationalsozialismus passierten, wie das im Fall der Katholischen Kirche der Fall war – zur Verfolgung der Juden gehört eben auch der stark im historischen Bewußtsein präsente Typus des »Ariseurs«. Die dann folgenden Schlüsse sind schon deshalb unbegründet, weil eben die Art der Schäden und die Profiteure unterschiedlich waren. Daß die Regelung von 1960 »auf Kosten« der jüdischen Opfer erfolgte, wird ebenfalls nicht belegt. Hier müßte gezeigt werden, daß Entschädigung der einen und der anderen Opfergruppe als Alternativen im politischen Prozeß diskutiert wurden und man sich für die einen entschied und die anderen beiseite ließ. Darüber findet man bei Bandhauer-Schöffmann freilich nichts.

Zusammenfassung

Die vorliegende Arbeit bietet eine gute Darstellung der politischen Vorgänge, die zu den finanziellen Regelungen zwischen Katholischer Kirche und Staat in den späten fünfziger Jahren und 1960 führten. Die Schwäche der Arbeit liegt in der Gesamteinschätzung von Vermögensentzug und Restitution im Bereich der Katholischen Kirche. So wie das Gesamtprojekt verläßt sich der hier vorliegende Teil im wesentlichen auf Einschätzungen aus den fünfziger Jahren und bietet ansonsten eine Auflistung von Einzelposten, mit denen wenig anzufangen ist. Eine eigene Gesamtkalkulation der Schäden, die notwendig gewesen wäre, um die Fehler der vorliegenden Schätzungen zu korrigieren, wird nicht vorgenommen, eine Kalkulation der Kompensationen, die die Katholische Kirche unter dem Nationalsozialismus und in der Zweiten Republik erhielt, ebenfalls nicht. Die einleitenden Bemerkungen zur Einschätzung der Restitution an die Katholische Kirche im Kontext des gesamten Restitutionsgeschehens sind für die folgende Analyse nicht sonderlich wichtig, inhaltlich aber nicht überzeugend.


Anmerkungen

1. Stefan Spevak, NS-Vermögensentzug, Restitution und Entschädigung in der Diözese St. Pölten, Wien/München 2004; Siegfried Kristöfl, Die Liquidationsstelle der katholischen Verbände. Zur Auflösung der katholischen Vereine in der Diözese Linz – Gau Oberdonau, Wien/München 2004; Johann Großruck, Vermögensentzug und Restitution betreffend die oberösterreichischen Stifte mit den inkorporierten Pfarren, Wien/München 2004.
2. Gesetz vom 19. April 1885, RGBl 1885/47.
3. 100 Schilling des Jahres 1938 entsprechen etwa 291 Euro des Jahres 2005.
4. Zu dieser sogenannten Kirchenconcurrenz vgl. eingehend Ernst Mayrhofer, Handbuch für den politischen Verwaltungsdienst in den im Reichsrathe vertretenen Königreichen und Ländern mit besonderer Berücksichtigung der diesen Ländern gemeinsamen Gesetze und Verordnungen, Bd. IV, Wien 51898, 266–320.
5. Gbl.f.d.L.Ö. 1939/543.
6. Großruck, Vermögensentzug (Anm. 1).
7. BGBl 1958/294.
8. Die Patronatsverpflichtungen wurden 1955 mit vier Prozent kapitalisiert, um eine Schätzung für die Ablösung dieser Verpflichtungen zu erreichen, das heißt der Jahresbetrag wurde mit 25 multipliziert. Die Ratlosigkeit der Autorin, warum hier mit diesem Faktor gerechnet wurde und nicht mit dem Faktor 7 wie bei der Valorisierung von Beträgen aus dem Jahr 1938 (249, 250–251, Anm. 632), wirkt seltsam – Kapitalisierung wiederkehrender Leistungen und Valorisierung entsprechend der Geldwertentwicklung sind eben zwei verschiedene Dinge.
9. Das gleiche Ergebnis hätte man erzielt, wenn man die Zahlungen per 1939 ebenfalls mit 5 Prozent kapitalisiert und das Ergebnis für die folgenden zwanzig Jahre mit 3,53 Prozent verzinst hätte.
10. Hofdekret vom 30. Juni 1785, Handbuch aller unter der Regierung des Kaisers Joseph des II. für die K. K. Erbländer ergangenen Verordnungen und Gesetze in einer Sistematischen Verbindung, Bd. VIII, Wien 1787, 653
11. Art. XV, § 9, BGBl 1934 II/2.
12. BGBl 1955/269.
13. BGBl 1960/195.
14. BGBl 1958/294.
15. Die Angaben von Orden und Diözesen über nicht rückgestellte Sachen zum Stand von 1959 erreichen nur eine Höhe von etwa 42 Millionen Schilling zum Wert von 1938.

Irene Bandhauer-Schöffmann: Replik

 

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letzte Änderung: 20.06.2015
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