Winter
2004/2005 |
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Von
Michael Pammer |
Antwort
auf Irene Bandhauer-Schöffmann |
1. Richtig ist, daß Irene Bandhauer-Schöffmann in ihrem Buch
darauf hinweist, daß sie keine Schätzung des Gesamtschadens vorlegt.
Dies bedeutet aber nicht, daß man als Rezensent ihre Begründung
dafür akzeptieren muß. Das Gesamtprojekt, an dem vier Personen
mitarbeiteten und in dem vier Monographien entstanden sind, war gut dotiert.
Weniger gut wurden diese Ressourcen eingesetzt. Muß man für eine
Gesamtschätzung wirklich alles auf Groschen genau erheben? Ist es nicht
sinnvoll, sich vorzugsweise mit den großen Posten zu befassen und
die letzten fünf Prozent, die drei Viertel der Arbeit verursachen,
zu vernachlässigen? Ist nicht eine grobe Schätzung des Gesamtschadens
brauchbarer als eine ins letzte Detail gehende Erhebung in einigen Teilbereichen,
die dann gerade nicht verallgemeinert werden kann? Stichprobenartige Erhebungen
hätten die Ressourcen geschont und annähernd gleich gute Ergebnisse
wie eine Kompletterhebung gebracht. Das Projekt war also nicht schlecht
ausgestattet, sondern schlecht konzipiert. 2. Wie die Autorin auf die Idee kommt, ich würde den Schaden zum Zeitpunkt 1945 mit dem Schaden zum Zeitpunkt 1959 verwechseln, ist unerfindlich. In meiner Besprechung befasse ich mich hauptsächlich mit den jährlichen öffentlichen Leistungen an die Kirche, dem Kirchenbeitrag und so weiter. Die entzogenen und vielfach vor 1959 restituierten Sachen erwähne ich zwar (6, Sp. 1), gebe aber eine Schätzung dafür weder für 1959 noch für 1945 an. Hinsichtlich der wiederkehrenden Leistungen unterscheide ich selbstverständlich Schäden aus der Sicht von 1939 und jener von 1959 (von 1945 ist wenig die Rede), und zwar mit expliziter Angabe der jeweiligen Schätzwerte (zum Beispiel 7, Sp. 1 und 2). Allerdings rechne ich zu Vergleichszwecken alle Beträge in Schilling des Jahres 1938 um. Das hat aber nichts mit einer Verwechslung der Schadenssummen zu tun. Das Problem liegt hier wahrscheinlich darin, daß Bandhauer-Schöffmann, wie auch in meiner Besprechung festgestellt (Fn. 8), Schwierigkeiten mit der Idee einer Valorisierung entsprechend der Geldwertentwicklung hat, die sie gelegentlich mit anderen Dingen verwechselt. 3. Daß die Katholische Kirche immer schon die Möglichkeit gehabt hätte, von ihren Mitgliedern Beiträge zu verlangen, ist im Zusammenhang mit dem Kirchenbeitragsgesetz unerheblich. Es ist offensichtlich, daß das Kirchenbeitragsgesetz einen Zusammenhang zwischen dem Entfall öffentlicher Leistungen an die Kirche und der Einführung von Kirchenbeiträgen herstellte. Die Katholische Kirche hätte bei gleichbleibenden öffentlichen Dotationen 1939 von sich aus gewiß keine Kirchenbeiträge eingeführt. Es handelte sich also faktisch um einen Abtausch. Ein Abtausch von Leistungen bedeutet aber nicht notwendigerweise, daß es sich um gleichwertige Leistungen handelt, wie Bandhauer-Schöffmann in ihrem Buch (vgl. meine Besprechung, 6, Sp. 3) und ihrer Replik offenbar annimmt, sondern es ist eben auch möglich, daß die Katholische Kirche durch die Kirchenbeiträge weniger erhielt, als sie an öffentlichen Dotationen verlor. Dies abzuschätzen, wäre Thema der Untersuchung gewesen. 4. In der Besprechung wurde der Zusammenhang zwischen der Verstaatlichung der Religionsfonds und dem Kirchenbeitragsgesetz nicht übersehen, sondern es wird im Gegenteil ausdrücklich darauf hingewiesen, daß die Fondsgüter im Zusammenhang mit der Einführung der Kirchenbeiträge verstaatlicht wurden (7, Sp. 3). Eine getrennte Diskussion der Religionsfonds liegt dennoch nahe, weil die Fonds in wirtschaftlicher Hinsicht für die öffentliche Dotation der Katholischen Kirche eine geringe Bedeutung hatten und in rechtlicher und politischer Hinsicht eine Reihe von Besonderheiten aufwiesen. 5. Weiters schreibe ich in meiner Besprechung eben nicht, daß die Bundesleistungen an die Katholische Kirche nach 1960 nur die Bundesleistungen vor 1938 hätten kompensieren sollen. Vielmehr weise ich ausdrücklich darauf hin (und zitiere das Gesetz), daß damit auch die Leistungen der öffentlichen Patronate und Gemeinden und die Ansprüche auf das Religionsfondsvermögen abgedeckt werden sollten (8, Sp. 1). Anschließend vergleiche ich die Leistungen verschiedener Rechtsträger (Bund, öffentliche Patronate, Gemeinden) an die Kirche vor 1938 und nach 1960 sowohl separat als auch zusammengerechnet (8, Sp. 2), meiner Meinung nach ein sinnvoller Vergleich. Die Behauptung, ich würde bei den öffentlichen Leistungen an die Katholische Kirche vor 1938 nur die Bundesleistungen anführen, ist auch insofern grotesk, als ich des langen und breiten über die Leistungen von öffentlichen Patronaten und Gemeinden und die dabei auftretenden Bewertungsprobleme schreibe (6–7). 6. Die von der Autorin zitierten zeitgenössischen Bewertungen der Schäden durch staatliche und kirchliche Stellen ignoriere ich nicht, sondern zitiere sie meinerseits in der Besprechung. Zum Unterschied von Bandhauer-Schöffmann glaube ich allerdings nicht, daß diese Schätzungen stimmen, unter anderem wegen der darin enthaltenen Inkonsistenzen, was ich auch ausführe (6, Sp. 2–3). Wirtschaftsgeschichte erschöpft sich eben nicht in der unbesehenen Übernahme von Schätzungen, die irgendwann in der Vergangenheit vorgenommen wurden. 7. Richtig ist, daß die Autorin wiederholt hervorhebt, der Vatikan unter Pius XII. habe auf der Aufrechterhaltung des Konkordats von 1933/34 beharrt. Ein wesentlicher Punkt dabei war, daß der Vatikan »eine Aufspaltung der Konkordatsfrage in einzelne Verhandlungsbereiche (in vermögensrechtliche Fragen, Schulfragen, Eherecht…)« nicht akzeptierte und daß damit aus seiner Sicht auch die Ehebestimmungen des Konkordats nicht zur Diskussion standen; die Bischöfe waren hier hinsichtlich der politischen Möglichkeiten realistischer (212–214, 278). Die Kehrseite dieser grundsätzlichen Haltung des Vatikans war dessen Bereitschaft, 1958 eine bloß provisorische Regelung der Vermögensfragen herbeizuführen, worin er sich mit den Wünschen der SPÖ traf, während die Bischöfe und die ÖVP eine definitive Gesamtregelung wollten, die aber schwieriger herbeizuführen war (287–291). Wer war hier letztlich kompromißbereiter? Wie auch immer, durch solche Passagen kam es zu meiner in der Replik zitierten Bemerkung, die übrigens im Rahmen der Besprechung eine ganz untergeordnete Bedeutung hat, nicht einmal kritisch gemeint war und auch nicht so herauskommt. 8. Die These der Autorin, den »Koalitionsparteien schien es unbedingt nötig, die Entschädigungszahlungen an die Katholische Kirche so zu deklarieren, dass hier kein Präjudiz für Ansprüche jüdischer Geschädigter entstehen konnte«, wird weder in ihrem Buch noch in ihrer Replik bewiesen. Wie in der Besprechung ausgeführt, war die Ausgangslage für die Entschädigung der Katholischen Kirche und der jüdischen Opfer so unterschiedlich, daß Entschädigungen an die Kirche überhaupt schwerlich ein Präjudiz für Ansprüche von Juden bilden konnten. Am ehesten wäre noch eine Parallele in der Behandlung der Israelitischen Kultusgemeinde zu finden, und genau hier zeigt sich, daß die These der Autorin nicht stimmt: Die Israelitische Kultusgemeinde erhielt nämlich (selbstverständlich durch Beschluß der Koalitionsparteien) außer einer einmaligen Entschädigungssumme so wie die anerkannten christlichen Kirchen ab 1960 und rückwirkend für die Zeit ab 1958 jährliche Zahlungen durch den Bund, die pro Kopf sogar deutlich mehr ausmachten als bei den anderen Religionsgemeinschaften. Dies wäre dann also das Ergebnis des intensiven Bemühens, Leistungen an die Katholische Kirche so zu gestalten, daß jüdische Geschädigte keine gleichartigen Forderungen erheben konnten? Hinsichtlich des überwiegenden Teils der Vermögensschäden, die Juden erlitten, war die Sachlage ganz anders als bei den Schäden, die die Kirche hinzunehmen hatte. Der einzige von Bandhauer-Schöffmanns angeblichen Belegen für ihre These, der einschlägig interpretiert werden kann, ist die Bemerkung Heilingsetzers aus dem Jahr 1956. Möglicherweise hat der Sektionschef bei den »auswärtigen Stellen« ja wirklich an jüdische Geschädigte gedacht – doch inwiefern hätten die Leistungen an die Katholische Kirche ein Präjudiz für Ansprüche jüdischer Geschädigter an die Republik darstellen sollen? Das dringendste offene Problem 1956 (nach Errichtung des Hilfsfonds!) waren die Sammelstellen, die aber gerade nicht die Republik belasteten; die dann noch folgenden Leistungen des Bundes für Abgeltungsfonds und Lebensversicherungen waren geringfügige Angelegenheiten. Aus der einsamen Bemerkung Heilingsetzers ergibt sich jedenfalls kein Nachweis einer allgemeinen antijüdischen Obsession bei den fraglichen Regelungen, und die sonstigen zitierten Bemerkungen haben nicht einmal im Ansatz etwas damit zu tun. Die Äußerung Pittermanns bezieht die Autorin in ihrem Buch korrekterweise nicht auf jüdische Geschädigte: Die SPÖ »lief Gefahr, ihre angestammten Wählerschichten mit Zugeständnissen an die Kirche vor den Kopf zu stoßen. Ein Ausgleich mit der katholischen Kirche war eine Richtlinie der obersten Parteielite, nicht aber der kleinen Funktionäre und Mitglieder. Pittermann ging in diesem Gespräch am 13. Oktober 1958 auf die Schwierigkeiten ein, die durch diese Wiedergutmachung an die katholische Kirche ›im Vergleich mit anderen Geschädigten entstehen werden, weil diese nach der derzeitigen Lage nur mit Bagatellesummen abgefunden werden, die die Leute lediglich reizen‹.« (286) Soll jetzt auf einmal Pittermann Angst gehabt haben, die kleinen SPÖ-Funktionäre, Parteimitglieder und »angestammten Wählerschichten« würden in Solidarität mit jüdischen Opfern empört auf Leistungen an die Katholische Kirche reagieren? Das wäre allerdings wirklich ein neuer Aspekt in der Geschichte von Vermögensentzug und Restitution in Österreich gewesen – der Volkszorn verlangt die Entschädigung der Juden?! Nein, leider, die Interpretation der Autorin in ihrem Buch war schon richtig, Pittermann dachte hier nicht an die jüdischen Opfer. Auch bei der Öffentlichkeitsarbeit der Katholischen Kirche ging es nicht um die Vermeidung eines Präjudizes für Ansprüche jüdischer Geschädigter, sondern um die Angst vor der Vereinigung von antiklerikalen und antisemitischen Ressentiments in der Öffentlichkeit (305). Es bleibt also dabei, daß die These der Autorin weder in der Arbeit bewiesen wird noch von vornherein überzeugt. 9. Der Vorwurf, ich hätte die Arbeit nicht gelesen, ist läppisch. Ich habe heroischerweise alle vier Arbeiten aus dem Projekt Vermögensentzug und Rückstellung im Bereich der Katholischen Kirche gelesen, um nicht versehentlich Bandhauer-Schöffmann etwas als Mangel vorzuwerfen, was eventuell ohnehin in einem der anderen Bände abgehandelt wird. Bandhauer-Schöffmanns Arbeit habe ich aufs genaueste gelesen, schon deshalb, weil ich (was man der Besprechung vielleicht anmerkt) bemüht war, irgend etwas zu finden, was ich positiv hervorheben könnte. Daß die Autorin sich in ihrer schwachen Replik darauf zurückzieht, ich hätte ihre Arbeit nicht gelesen, ist am ehesten ein Hinweis darauf, daß sie in der Sache nicht viel zu entgegnen hat. Auf die meisten meiner Argumente geht sie ja bezeichnenderweise von vornherein gar nicht ein.
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letzte Änderung:
20.06.2015
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